Um es gleich vorwegzunehmen: eine Wanderung entlag eines Bahnwegs, so wie hier mit einer Distanz von etwa 20 km, in bergigem Gelände erfordert gute Vorbereitung. Einmal braucht es festes Schuhwerk, die Knöchel müssen fest umschlossen sein. Stabile Wanderstöcke sind ein Muß, denn es ist Herbst und der Boden kann feucht und rutschig sein. Im Rucksack sollten etwa 3 Liter Wasser pro Person mitgenommen werden, vergessen Sie Limonaden, die verkleben den Mund und fördern den Hunger. Nehmen Sie nur ein paar Brote, etwas Obst und falls es jemandem mal Flau werden sollte, einen Schokoriegel mit. Aber das wichtigste ist wirklich das Wasser, ungesüßt.
Trittsicherheit ist hier geboten, dieser Wanderweg ist anspruchsvoller als z.B. der Semmering Bahnwanderweg von Semmering nach Gloggnitz. Und machen Sie diese Tour möglichst nicht allein, vor allem, wenn Sie die eine oder andere Höhe ersteigen wollen um besonders spektakuläre Aufnahmen zu machen. Auf dieser Tour haben mich meine Freunde Andreas und Dirk begleitet. Es war uns wichtig, aus möglichst vielen verschiedenen Positionen zugleich zu fotografieren. Wir müssen damit rechnen, daß wir jede Lokreihe nur einmal sehen.
Es ist Plandampf angesagt, und viele Musumsvereine haben Ihre Loks auf die Reise geschickt, aber wie es nunmal mit solch alten Schätzen ist, ob alle die Strapazen, besonders durch die gebirgige Strecke überstehen ist ungewiß. Also nichts anbrennen lassen, alle sind mit digitaler Spiegelreflexkamera ausgerüstet und 2 GB Speicher. Dann können wir einfach Abdrücken und ein paar Bilder mehr machen.
So, nun genug der Einleitung. Wir sind mit dem Postomnibus zum Wolfskogl gefahren, am Franz-Joseph-Tunnel wollen wir unsere Fotopirsch beginnen.
Es ist sehr früher Morgen, der Gaisslerboden liegt fast noch vollständig im Schatten, aber ein paar Sonnenstrahlen schaffen es doch hinein, und erzeugen ein feuerscheinendes Streiflicht. Die Freunde sind bereits in unterschiedlicher Position, als schon Lokpfiffe aus dem Tunnel fliehen. Gigantisch, eine 310 mit Orientexpresswagen kommt des Wegs. Der Regler ist zu, es geht bergab, durch die engen Kurvenradien ertönt das quitschende Spiel der Räder. Wir sind beeindruckt.
Kurze Zeit später sind einige 10 Bilder geschossen, die 3 besten sind hier ausgestellt. Wir sind uns einig: ein guter Start. Das wird die beste Fotowanderung, die wir unternommen haben. Bevor wir uns auf den Weg zum Ahornsteig machen, schauen wir auf dem Kontrollmonitor der Kameras die ersten Ergebnisse an: so kann's weitergehen.
Für den Ahornsteig haben wir uns was besonderes ausgedacht. Einer von uns soll auf den Wolfskogel steigen zu einer Scharte, die aus schwindliger Höhe einen Blick über die Trisanabrücke bietet. Weil ich häufiger auf Kraxeltour bin, fällt die Wahl auf mich. Andreas und Dirk positionieren sich am Ahornsteig und an der Trisanabrücke. Ich haste über das Gleis, und steige durch den mit Bäumen bewachsenen Steilhang, so kann ich gut hochsteigen, und für den Abstieg kann ich mich gut einhalten. Während die Freunde auf Ihren Positionen schon warten, muß ich noch einen sicheren Pfad zur Scharte finden. Noch einmal an ein paar Felsen hochziehen, geschafft. Was für ein Ausblick.
Ich habe die Lok schon von weitem gesehen, sie tat sich sichtlich schwer. Die Steigung über die Trisanabrücke war doch erheblich. Dirk nahm Ziel am Fels vorbei und drückte ab. Was war das? Die Lok hielt mit quitschenden Rädern. Oh je, hatte etwa der Links-Außen den Dampfverbrauch unterschätzt? Nein, aber die Friktion war wohl nicht mehr da, die mächtigen Treibräder S3/5 schleuderten vorher schon.
Der Heizer sprang von der Lok, und nahm Schotterstücke, die er vor die Treibräder legte. Der Sand rieselte nur mit dünnen Strahl aus den Fallrohren vor die Treibr&aauml;der, er war wohl feucht geworden. Das nutzte Dirk, spurtet um den Fels und konnte die Lok noch einmal aus der unten zu sehenden Position aufnehmen. Die Lok schleuderte ein wenig, aber der Schotter vom Heizer vor die Räder gelegt machte es. Sagenhaft, ob die Räder dabei nicht Schaden nehmen?
Andreas war dem Ahornsteig hinuntergestiegen, um aus "dynamischer Position" die S3/5 aufzunehmen. Das ist ihm sichtlich gelungen. Dabei mußte er sich um einen Felsen herumwinden. Mit einer Hand die Kamera, mit der anderen Hand an einer kräftigen Wurzel festgehalten. Da muß man sich sehr sicher sein, daß die Wurzel hält. Zur Nachahmung nicht immer zu empfehlen.
Ich hatte natürlich schon einige Aufnahmen der S3/5 von Wolfskogl aus über die Brückenszenerie geschossen, als die S3/5 stehen blieb. Nun stand sie wunderbar da, und ich konnte in Ruhe den gesammten Zug ins Visir nehmen, herrlich. Klack.
Der nächste Fotostandpunkt soll am Myrthengraben eingenommen werden. Dummerweise müssten wir dazu bis zum Grund der Trisanabrücke absteigen, und dann wieder einen beschwerlichen Steig hinauf. Wir hatten schon ausgemacht, wenn eine Brücke einen guten Revisionsweg aufweist, nehmen wir den. Bei der Trisanabrücke ist das der Fall, wir steigen zum Auflager am Brückenkopf hinab, und marschieren unterhalb der Fahrbahn die 100m zum anderen Auflager. Gut, daß es dabei keinem schwindlig wurde.
Kaum waren wir über Auflager und dann zum Myrthengraben hinübergequert, hören wir schon ein Rumpeln von der Trisanabrücke herüberschallen. Wahnsinn, eine 580 fährt rückwärts offenbar zum Bahnhof Ahornboden. Was für die Lok nur 30 Minuten Fahrt bedeutet, ist für uns noch etwa 9 Stunden anstrengendes Auf und Ab entfernt. Gut das wir früh gestartet sind, so hoffen wir dort noch bei tiefstehender Sonne die Herbststimmung einfangen zu können. Doch zunächst die 580 anvisieren, prima, vollformatig hat sie aufs Bild gefunden.
Nun trennen wir uns wieder und nehmen jeder einen anderen Standort ein. Dirk und Andreas steigen den Myrthengraben hinüber, Andreas positioniert sich etwa auf gleicher Höhe wie ich, Dirk noch etwas weiter hinten. So haben wir etwa 50m Strecke abgedeckt. Die Perspektiven können sich sehen lassen.
Bis alle in Position sind vergehen gut 20 Minuten. In Vals gibt es die Möglichkeit einer Zugkreuzung. Die Strecke ist ja eingleisig, und zudem noch mit einer weiteren Schiene versehen, denn es fuhren bis vor etwa 20 Jahren noch eine Schmalspurbahn ins Retschental. Der Sicherheit wegen ist aber gleichzeitiger Schmalspurbetrieb nicht eingeplant worden. Plandampf also heute nur für Regelspurzüge. Keine 10 Minuten später kündigt sich schon schwerer Auspuffschlag an. Es ist immerwieder beeindruckend, wie so eine Dampflok atmet. Da ist das Schlagen der Kesselspeisung, die verschiedenen Zylinderzischer.
Das haben wir nicht erwartet: die 580 von eben mit Güterzug am Haken. Wenige Sekunden und nur noch die Güterwagen passieren. Zeit, zu Andreas und Dirk rüberzusteigen.
Andreas wählte eine "Nachschuss" Position. Gut daß der Packwagen keine Ladung hat, oder sie ist schon verloren gegangen. Beide Türen sind offen, es ist halt nur eine Schauveranstaltung.
Was für eine fotografische Dichte. Im Gebirge, wenn man mal eine gute Fotoposition findet, dann ist das fast wie auf einer Modelleisenbahn. Warscheinlich ist deshalb das Thema so beliebt. Das Auge findet Halt, denn eine weite Landschaft ist in der Tiefe im Modell schwer darzustellen. Da muss man sich schon wie Pit Peg einige Tricks einfallen lassen.
Dirk stand an einem Viadukt etwas weiter hinter Andreas. Der Zug war aufgrund der Steigung glücklicherweise nur langsam unterwegs. Dabei gelang ihm die bemerkenswerte Aufnahme eines offenen Erzwagens der kkStB. Schön, daß so was noch erhalten wurde.
Kaum hatten wir uns wieder gesammelt, ging es zunächst recht einfach am Bahnweg entlang. Nächstes Ziel ist ein Fels, genauer eine Zinne oberhalb der Elisabethen Brücke. Wir erhoffen uns einen tiefen Einblick in den Felsbruch vor der Brücke. Diesmal lassen es sich Dirk und Andreas nicht nehmen, mit hinaufzusteigen. Eine gute halbe Stunde später ergibt sich genau der Blick, den wir uns erhofften. Auf den Bäuchen liegend, mit den Kameras vor dem Gesicht, stampft eine Doppeltraktion unter uns vorbei auf die Elisabethen Brücke zu. Und was für eine Doppeltraktion: zwei 310er, die einen Zug aus Orientexpresswagen führt. Was wir erst später auf den vergrößerten Bildern sahen, ist eine Güterzug im rechten Bildteil, am Myrthengraben. Da waren wir ja erst vor einer knappen Stunde.
Der Abstieg von der Zinne war geschafft, nun war Zeit für eine Pause. Unterhalb der Zinne, auf der Höhe des Brückenkopfes der Elisabethen Brücke war eine ideales Plateau. Hier konnten wir beides, Brotzeit machen, ausruhen und fotografieren. Ich schwöre Ihnen, wenn man mir gesagt hätte, was uns erwartet, wir hätten nur ungläubig mit dem Kopf geschüttelt. Es ist wie der Höhepunkt eines Feuerwerks. Es rollte eine Rarität nach der anderen an uns vorbeit.
Begonnen hat es mit einer 310. Faszinierend der filigrane Barrenrahmen und die 2 Meter Räder.
Die 53er mit internationalem Personenzug konnten wir gleich zwei mal zur selben Zeit aufnehmen, mit 3 Kameras ist das keine Kunst. Einmal mit Tele ...
... und ein weiteres mal mit Weitwinkel.
Und es sollte eine weitere Doppeltraktion folgen. Auf diese Weise kann bei einer Lok mit Problemen wenigstens die andere noch bis zu einem Kreuzungshalt weiterziehen.
Habe Sie schon einmal eine Lok mit blauem Kessel gesehen? Insgeheim haben wir gehofft, daß dieses Schmuckstück, die 306, bei dem Plandampf dabei ist. Nun ist es soweit. Und dahinter eine 109. Soweit wir gehöhrt haben, laufen am Abend alle Loks ins BW Bf. Ahornboden ein. Vielleicht können wir dieses Juwel noch näher aufnehmen.
Die Zeit drängt. Die 108 nehmen wir noch mit, aber dann ist wirklich Aufbruch angesagt. Nun müssen wir in den Elisabethengrund absteigen, gute 100 Höhenmeter. Und auf der anderen Seite zum Bahnhof Ahornboden wieder gute 150 Höhenmeter hínauf. Der Weg ist schmal, hier ist Trittsicherheit gefragt. Und es geht wie so oft nicht geradewegs über die kürzeste Distanz durch den Grund. Ein Berg dazwischen versperrt den direkten Weg, den wir mit Seil überwinden müßten. So fit sind wir nicht, also gehen wir einen Umweg. Aber in gut 2 Stunden haben wir es dann geschafft.
Der Abstieg war schon ziemlich heftig. Am Weg waren einige Votivtafeln. Dort wurden Menschen betrauert, die offensichtlich beim Abstieg abgerutscht waren. Man kann es sich nicht oft genug einschärfen: vernünftige Ausrüstung und Konzentraion ist die Voraussetzung, daß alles gut geht.
Nun sind wir unten gut angekommen und werfen einen Blick hinauf. Wie man so was nur bauen kann. Und das mit den Mitteln von etwa 1870. Dahinter ist die Viktoria Brücke zu sehen. Die Eisenbahn windet sich wie in anderen Gebirgsbahnen z.B. in der Schweiz langsam in die Höhe, zu einem Berg hinaus, über eine Brück zur anderen Seite in einen Berg hinein, und im Tunnel schraubenförmig nach oben. Und dann wieder zum Berg hinaus und so weiter.
Das ist ja fast wie bei Bellingrodt, zeitgleich fahren auf beiden Brücken Züge. Auf der Elisabethen Brücke ein Zug geführt von einer S3/6 und unten auf der Viktoria Brücke ein Zug geführt von einer 310.
Und jetzt kommt es noch besser: da ist doch wieder die Doppeltraktion mit zwei 310er die wir vor Stunden auf der Zinne fotografiert haben. Die Bilderausbeute ist, da sind wir uns sicher, schon jetzt beeindruckend.
Der Aufstieg zum Plateau des Bahnhofs Ahornboden ging im wesentlichen durch Wald. So wurden wir wenigstens nicht abgelenkt weil wir fotografieren müssen. Die Sonne steht schon recht niedrig, das Herbstlaub hat ein Färbung, die wie Feuer leuchtet. Bevor die Sonne hinter den Bergen versinkt, noch schnell ein paar Bilder machen. Es steht schon jetzt fest: wie müssen noch einmal hierher kommen und uns nur auf dem Bahnhof umschauen. Wie man sieht, zieht man schon die Loks für die Nachtruhe zusammen.
Die Loks werden von den Zügen abgehängt, zur Bekohlung und zum Wasserfassen geschickt. Also schnell in Richtung BW marschieren.
Wo haben sie denn diese Lok aufgetrieben, sieht aus wie eine alte bayerische BVI. Vielleicht war die ja noch irgendwo in Ungarn verschollen? Später werde ich mal fragen. Auf jeden Fall sind Lokführer und Heizer original gekleidet.
Ah, die 108 hat schon vom Zug abgerückt und steht beim Wasserkran. Mal sehen, was die anderen Loks so machen. Hey, da sind ja zwei 306er, die mit dem blauen Kessel. Schnell hin.
Die rückwärts stehende 306 ist schon gedreht und wird offenbar neben dem Lokschuppen im Freien seinen Standplatz finden. Der Heizer in der Nachtschicht hat so wenig Weg, es soll ja diese Nacht noch ordentlich Regnen.
Diese 306 muß noch im BW Kohle fassen. Soviele Loks hat dieser Bahnhof warscheinlich noch nie gesehen. Bin ja mal gespannt, wo sie alle abgestellt werden. In der Nacht ist ja nach 20:13 Uhr nichts mehr los.
Schön, jetzt zieht die 109er vor. Ist ja wieder fast wie bei Bellingrodt, diese Lok nehmen wir in Großaufnahme mit.
Dirk ist ganz aus dem Häuschen, er hat den Erzwagen der kkStB wieder entdeckt. Ein schönes Stück, und eine schöne Aufnahme.
Bevor die Sonne ganz untergeht, schauen wir noch in Richtung BW. Eine Menge Loks stehen dort, eingentlich sollten wir die auch noch aufnehmen, aber die Sonnen steht schon sehr tief. Ohne Sonne wirken die Aufnahmen nicht.
Die absolut letzen Aufnahmen haben wir nun gemacht. Die Sonne ist nur noch im vorderen Bereich des Bahnhofs Ahornboden. Ein Wahnsinnstag, da sind wir uns sicher. Und im nächsten Jahr, wenn es wieder Plandampf gibt, sind wir wieder dabei. Dann fahren wir direkt zum Bahnhof und erkunden ihn. Vielleicht kann er ja mal als Vorlage für einen Modellbahnhof in H0 dienen.
Die Bilder wurden auf der Anlage von W.S. Vitruv komponiert, einer Anlage mit Thema Herbststimmung in Südtirol zur k.k. Zeit.
Für die Modellfotografien wurde eine Leihgabe von Roco, Gerard und Micro-Metakit Lokomotiven zur Verfügung gestellt.