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Die „königlich privilegirten bayerischen Ostbahnen“ (B.O.B.), 1858-1875
Gedeckte Güterwagen


Dr. Gert von Rosen –von Hoewel

Zur Gründungszeit der bayerischen Ostbahnen hatte sich die Tendenz durchgesetzt, für Gütertransporte aus Witterungs- und Sicherheitsgründen im Prinzip „gedeckte“ d.h. mit einem festen Dach versehene, geschlossene Güterwagen einzusetzen. Deshalb sind vor Betriebsbeginn von den Ostbahnen doppelt so viel gedeckte wie offene Güterwagen bestellt worden und aus dem gleichen Grund wurden schon 1861 die letzten 9 (offenen) F Wagen geliefert, während die gedeckten Wagen der Gattung „E.“ nahezu während der ganzen Ostbahnzeit nachbeschafft wurden. Bei der Verstaatlichung repräsentierten sie mit einer Anzahl von 1551 Stück die mit Abstand am stärksten vertretene Wagengattung dieser Gesellschaft. In dieser offiziellen Stückzahl sind die 35 bahneigenen und der eine private Bierwagen mit eingeschlossen → „BOB Bierwagen“ (in Vorbereitung).

Bis Ende 1861 sind 800 E Wagen der ersten Serie in den Dienst gestellt worden. Ihre Konstruktion entsprach völlig dem damaligen Standard.

Bild gedeckter Güterwagen (1858) ohne Bremsen – Eigenbau
Abb. 1: gedeckter Güterwagen (1858) ohne Bremsen – Eigenbau

Mir sind nur wenige Wiedergaben aus der Staatsbahnzeit bekannt; etwa auf dem westlich der neuen Hackerbrücke (dahinter sind noch Pfeiler der alten Salzstraßenbrücke zu erkennen) aufgenommenen Bild der Wagen vorne in der Mitte. Man beachte seine Größe, die starke Dachwölbung und die hölzernen Unterlagen für die Federhängeeisen.

Bild gedeckter Güterwagen ex BOB E1 ohne Bremsen, MAN-Archiv (Ausschnitt)
Abb. 2: gedeckter Güterwagen ex BOB E1 ohne Bremsen, MAN-Archiv (Ausschnitt)

Die Wagenkästen bestanden aus einem Gerüst von „Stollen“ dessen Zwischenfächer zur Stabilisierung zusätzlich mit Andreaskreuz artigen Diagonalbalken verstärkt worden sind. Diese Bauweise war z.B. bei den ersten KBE Kleinviehwagen von 1863 ganz augenfällig weil sich bei ihnen das Stollengerüst außerhalb der Wandverschalung befand.

Bild gedeckter Güterwagen (→ Abb.1.) Innenansicht
Abb. 3: gedeckter Güterwagen (→ Abb.1.) Innenansicht

Das Gerüst der E Wagen waren außen mit vertikal stehenden Brettern und innen in der unteren Hälfte mit horizontal fixierten Brettern verschalt. Die Türen hatten rechts den Anschlag und besaßen zwischen den Haltegriffen ein Türschloss, das mit einem Einheitsschlüssel verriegelt wurde.

Die Schalbretter der Längswände schlossen unten bündig mit der Unterkante der Längswandträger ab, so dass diese, anders als bei den anderen BOB Güterwagen, von außen nicht sichtbar waren. In gleicher Höhe endeten unten die Bretter der Stirnseiten über den damit teils verdeckten Pufferbohlen wodurch man den Eindruck gewinnen konnte, als seien Puffer, Notketten und Zugvorrichtung in der Vertikalen nicht mittig auf den Bohlen angebracht worden was aber der Fall war. Die hölzernen Untergestelle hatten die für Ostbahngüterwagen charakteristischen hölzernen Längsträgerunterlagen zur Befestigung der langen Federhängeeisen. Die Wagen besaßen wie alle Ostbahngüterwagen das „Ladegewicht“ d.i. die Tragfähigkeit von 200 Zentnern; was bei der Staatsbahn erst ab 1860 mit Einführung ihrer sog. „doppelt tragfähigen‘ Wagen der Fall war.

Zur Einstellung von Bremswagen in die Züge ist in einer „Instruction“ (= Dienstanweisung) vom November 1859 im Hinblick auf die Vollendung der Strecke München - Regensburg - Nürnberg folgendes zu lesen: „Bezüglich der Güterwagen mit Bremsen wird bestimt, daß die Bremsersitze dieser Wagen in der Richtung von München nach Landshut immer nach Landshut zu stehen müssen; /:sonach nach Vorne:/ daraus folgt, daß dieselben weil Landshut eine Kopfstation ist, in der Richtung Landshut nach Regensburg nach hinten zu stehen kommen, beziehungsweise stehen müssen, und ferner folgt daraus wieder, weil auch Regensburg eine Kopfstation ist, daß diese Bremsersitze in der Richtung von Regensburg nach Nürnberg wieder nach vorne stehen müssen.“ Von Geiselhöring nach Passau mussten nach Eröffnung jener Bahnlinie die Bremserhäuser nach hinten stehen und bei der Rückfahrt nach vorne. Bei dieser Einstellungsregelung, die schon 1858 in gleicher Weise seit Eröffnung der München – Landshuter Bahn galt, musste es sich um eine wichtige, betrieblich bedingte Maßnahme gehandelt haben denn man kann weiter lesen: „Die genaue Einhaltung dieser Bestimung wird den Herrn Stationsvorständen ganz besonders an empfohlen, und es ist den Zugführern untersagt, Bremswagen, welche nicht die richtige Stellung haben, in die Züge einzuschalten.“ 1 Den Anlass für diese auffallende Verfahrensweise lieferte die Bauanordnung der Bremserhäuser. Die Bremswagen konnten nur bei gleicher nutzbarer Kastenlänge das gleiche Ladevolumen wie die ungebremsten haben, wenn die „Obersitze“ bzw. die Bremserhäuser außerhalb der Wagenkästen montiert waren. Obwohl die Puffer auf der Bremserseite etwas längere Hülsen und Stangen als die Standardpuffer hatten ragten die BOB Obersitze sogar ein wenig über die Pufferköpfe vor. Gegeneinander weisende Bremserhäuser mussten zwangsläufig miteinander in Kontakt geraten und beschädigt werden.

Bild gedeckter Güterwagen (1858) mit Bremsen – Eigenbau
Abb. 4: gedeckter Güterwagen (1858) mit Bremsen – Eigenbau

Im Archiv des Nürnberger DB Museums befinden sich 1:10 Pläne mit dem Druckvermerk „Gedr. i. d. lith. Anstalt d. Direction.“ und mit Darstellungen von E und F Wagen mit vorstehenden Bremserhäusern, während in keinem offiziellen Verzeichnis Abbildungen derartig konstruierter Wagen zu finden sind. Trotzdem ist es laut einer Instruktion von 1867 gesichert, dass es diese Bauausführungen tatsächlich gegeben hat: „Die Bestimmung in den früheren Instructionen (...) über die Richtung der Bremsersitze, wie diese in die Züge eingestellt sein sollen, war seinerzeit hauptsächlich bedingt durch die vorstehenden Bremscoupes an einem Theil der E und F Wagen“, an den älteren nämlich. Auch das Phänomen des Fehlens von Skizzen in den Verzeichnissen, die für die Jahre ab 1872 vorliegen, wurde gleichzeitig geklärt: „Nachdem nun diese vorstehenden Bremscoupes alle nach und nach abgeändert wurden ...“2 - d.h. zurückgesetzt worden sind, sind nur noch Skizzen der aktuellen Bauversionen reproduziert worden.

Bei den Ostbahnen waren also anfangs die dreiseitig umschlossenen „gedeckten Obersitze“ bei allen Güterwagen des freien Verkehrs die Regelausführung. Fensterchen in den beiden Stirnwänden ermöglichten den quer zur Fahrtrichtung sitzenden Bremsern den Zug nach hinten und vorne überblicken zu können. Bei den bayerischen Staatsbahnen waren noch bis 1861 die kutschbockartigen Bremsersitze üblich. Der vorher zitierte Ausdruck „Bremscoupe“ steht für ein allseitig geschlossenes Bremserhaus, was für das Jahr 1867 eine verständliche Wortwahl war da inzwischen alle E Wagen derartige Coupes besaßen.
Der Zwang zu einer bestimmten Ausrichtung der Bremswagen wird mit erheblichen betrieblichen Umständen verbunden gewesen sein wenn man bedenkt, dass die Güterwagen gerade bei dem kleinen Liniennetz der BOB häufig auf die Nachbarbahnen übergegangen sind. So wird man später das Hineinragen der Bremserhäuser in die Wagenkästen in Kauf genommen haben, weil sich das zudem nur bei leichtem bzw. voluminösem Ladegut nachteilig bemerkbar machen konnte.

Laut Konzessionsurkunde mußte der Ostbahn Verwaltungsrat bei wichtigen Entscheidungen die Genehmigung der Staatsverwaltung einholen, was in diesem Zusammenhang auch für grundlegende konstruktive Einrichtungen des Rollmaterials galt. Der Antrag des Verwaltungsrates wegen Einzuführung einer Pufferstellung nach dem norddeutschem System wurde vom betreffenden bayerischen Staatsministerium anfangs nur für die Güterwagen genehmigt. Die Pufferhöhe der meisten Staatsbahngüterwagen lag bis 1859 bei 2,261 bay. Dezimalfuß über Schienenoberkante, das sind metrisch 660mm, wogegen in Norddeutschland 1040mm als Standard galten.

Um das Zusammenkuppeln von BOB Güterwagen mit KBE Wagen zu ermöglichen, sind 40 E Wagen als sog. „Verbindungswagen„ mit drehbaren Puffern ausgerüstet worden. 10 Puffersätze waren 5 Gulden teurer als die übrigen. Es kann vermutet werden, da auch die Anzahlen ungebremster zu gebremster E Wagen in etwa diesem Zahlenverhältnis entsprach, dass sie für gebremste Wagen benötigt wurden die evtl. einen geringfügig höheren technischen Aufwand erforderten.

Bild Dreiergruppe (KBE* - BOB - BOB) mit Wagen unterschiedlicher Pufferhöhe
Abb. 5: Dreiergruppe (KBE* – BOB – BOB) mit Wagen unterschiedlicher Pufferhöhe, in der Mitte ein Verbindungswagen (→ Abb. 6)

Um für die Drehpuffer eine Auflagemöglichkeit zu gewinnen befand sich unter der normalen Pufferbohle der Verbindungswagen eine fast ebenso hohe zusätzlich angeschraubte Bohle für die Befestigung der vertikalen Grundplatte mit dem Drehpunkt und den beiden endständigen Arretierungsvorrichtungen für die Puffer. Zur Stabilisierung der Zusatzbohle gegen den Pufferdruck dienten kleine eiserne Schrägstreben zum Längsträger hin und gegen den Zug lange Eisenstangen, die bis zur Wagenmitte reichten. Der klobige Eindruck der mächtigen Pufferbohlen wurde bei den Ostbahnen durch den elegant sich nach unten verjüngenden Schwung ihrer Stirnflächen vermieden.

Bild gedeckter Güterwagen (1858), ohne Bremsen, mit Drehpuffer – Eigenbau
Abb. 6: Verbindungswagen 1858, (→ ab. 5 Mitte)ohne Bremsen, mit Drehpuffer – Eigenbau

Die Drehplatten der Puffer besaßen an ihrem Drehpunkt ein kurzes Langloch, so dass sie beim Herunterdrehen mit der Nase ihres gegenüberliegenden Endes in eine Nut der unteren Pufferfixierung hineinfallen konnten und damit arretiert waren. In der nach oben gedrehten Position wurden sie an der Nase mit einem kleinen Riegel arretiert, dessen Griff nach oben aus den Arretierungsvorrichtungen hervorragte.

Nicht immer sind die Wagen in der vorgesehenen Weise zusammengekuppelt worden, vielleicht dann nicht, wenn kein Verbindungswagen zur Verfügung stand. Das kam aber sicher nicht häufig vor, da auch die Staatsbahn eine größere Anzahl von Verbindungswagen besessen hat. Laut einer an die Staatsbahnverwaltung gerichteten Beschwerde sah die BOB Direktion darin die Ursache für best. Schäden an den Pufferstangen, nachdem diese etwas verbogen waren und klemmten. Eine beigegebene Handskizze sollte die angenommene Ursache verdeutlichen, nämlich dass versucht worden sei, den Unterschied der Pufferstände durch Befestigen ungenügend hoher Holzklötze auf die Puffer des Staatsbahnwagens auszugleichen.3

Bild regelwidriges Ankuppeln eines KBE Wagen (l.) an einen BOB Wagen (r.)
Abb. 7: regelwidriges Ankuppeln eines KBE Wagen (l.) an einen BOB Wagen (r.)

In internen Berichten äußerten die Staatsbahnbeamten, dass die Ostbahnen ihrerseits mehr Verbindungswagen stellen sollten, denn man wollte oder konnte im Stationsdienst wegen des allgemeinen Mangels an solchen Wagen auf „aufschnallbare Puffer“ nicht verzichten.4 An anderer Stelle wurde eine angebliche schwächliche Konstruktion der Ostbahnpuffer bemängelt. In ihrer offiziellen Antwort ist die Generaldirektion nicht auf die Forderungen der Ostbahnen eingegangen sondern hat nur zugesagt, für die richtige Höhe der Pufferauflagen zu sorgen.5

Als Zugvorrichtung ist bei den Ostbahnen von Anfang an die Schraubenkupplung eingesetzt worden. Die untere zusätzliche der Verbindungswagen bestand dagegen aus einer Kette mit dem Zughaken am Ende. Sie entsprach aber nicht der Normausführung der bayerischen Staatsbahnen, die zumindest Ende der 50er Jahre bis 1862 aus einer dreigliedrigen Kette mit Zughaken bestand, sondern eher einer stärker ausgeführten „Nothkette“. Bei Nichtgebrauch konnten bei der Staatsbahn alle Ketten in einem kleinen Haken hochgehängt werden. Gleichartige Einrichtungen sind in den Plänen der BOB Wagen nicht eingezeichnet worden. Die Klärung eines kupplungstechnischen Problems muss offen bleiben, weil auch keine außerhalb der Puffer angebrachten Notketten angegeben sind, wie sie bis dato bei der Staatsbahn üblich waren.

Der Blick unter den Wagenboden zeigt auch die damalige Bauart der Abfederung der Zugvorrichtung: auf das Ende der einen Zugstange aufgeschoben befanden sich Kautschukblöcke (3 Stück) mit zwischengeschalteten Metallscheiben (2). Gleichartig war seinerzeit auch die Pufferfederung konstruiert.

Bild Verbindungswagen (→ Abb.6.), Gestellunterseite
Abb. 8: Verbindungswagen (→ Abb.6.), Gestellunterseite

1866 bis 1868 wurden 150 neue E Wagen in etwas vergrößerten Abmessungen und mit einem eisernen Untergestell geliefert; 50 davon mit Bremen. Der Wagenkasten war 6,71m statt 5,84m lang und der Radstand betrug 3,59m statt 3,21m. Die Schiebetüren besaßen jetzt den Anschlag auf der linken Seite. Die Wagen enthielten auch Einrichtungen für den Pferdetransport → „BOB Tiertransportwagen“ (in Vorbereitung).

Bild gedeckte Güterwagen (1866), mit und ohne Bremsen
Abb. 9: gedeckte Güterwagen (1866), mit und ohne Bremsen, Umbau aus RaiMo Bausätzen

Wie schon im Artikel „Wagennummern ...“ beschrieben worden ist, wurden sieben weitere Wagen in der gleichen Bauausführung geliefert als Ersatz für die Wagen der ersten Serie, die 1867 bei einem Unfall bei Heidingsfeld völlig zerstört worden waren. An dem Unfall waren auch zwei E Wagen der neuen Bauart beteiligt; sie waren aber nur beschädigt worden und konnten repariert werden. Hatten sie sich wegen des eisernen Untergestells als widerstandsfähiger erwiesen?

Im Jahr 1867 erschien eine Dienstanweisung, die die betriebliche Bedeutung der wachsenden Getreideeinfuhren aus Österreich-Ungarn verdeutlicht. Von den inzwischen zum Bestand gehörenden 850 E Wagen wurden sage und schreibe 512 der ersten Serie für diese besondere Versendungsart bereitgehalten „welche ausschließlich diesen Transporten zu dienen haben und welche zu dem Ende entsprechend bezettelt werden“.6 Für die vier Getreide Aufnahmestationen gab es an 300 Wagen die Zettelarten: „Passau Getreideverkehr“, an 73 „Wien Getreideverkehr via Passau“, an 72 „Raab Getreideverkehr via Passau“ und an 67 „Pest Getreideverkehr via Passau“ - die westungarische Stadt Raab heißt jetzt Györ und die östlich der Donau gelegene Kaufmannsstadt Pest ist inzwischen mit Buda (Ofen) zur ungarischen Hauptstadt Budapest vereinigt worden. Die große Anzahl für Passau bestimmter Wagen resultiert aus der Übernahme von Getreide, das per Schiff nach Passau gelangte. Die so bezettelten Wagen sind wie Regiewagen behandelt worden. Sobald sie beim Adressaten entladen waren mussten sie umgehend nach Passau zurückbeordert werden, von wo aus sie ordnungsgemäß bezettelt an die österreichische Elisabethbahn übergeben wurden. Eine kurze Verzögerung durfte nur dann eintreten, wenn die Wagen mit Fracht in Richtung Passau beladen werden konnten.

Für den Getreideverkehr von Straubing bis Freising in Richtung nach München wurden 47 F Wagen eingesetzt, die mit Strohmatten abgedeckt wurden. Für die Verteilung dieser Wagen war Geiselhöring zuständig. 1858 musste das Getreide am Donnerstag z.B. in Landshut bis 10 Uhr geladen sein, „welches am Freitag vom Bahnhofe dahier auf die Schranne gebracht werden soll“.7 Bei letzterer handelte es sich um die neuerdings (m.M. unter völliger Verunstaltung) wiedererrichtete Schrannenhalle auf dem Münchener Viktualien Markt.

1870 bis 1872 wurden die letzten Ostbahn E Wagen geliefert. Sie unterschieden sich kaum von denen der vorangegangenen Lieferung. Eine auffällige Besonderheit bestand in einer kleinen „Kopfwandtür“ auf der dem Bremserhaus gegenüber liegenden Stirnseite. Jene bot einen Zugang zu den dahinter aufbewahrten „Kondukteur Utensilien“. Auch diese Wagen enthielten Einrichtungen zum Pferdetransport, aber immer noch keine Lüftungsöffnungen.

Bild gedeckter Güterwagen (1872), mit Bremsen und Kopfwandtür
Abb. 10: gedeckter Güterwagen (1872), mit Bremsen und Kopfwandtür, Umbau aus Bavaria Bausatz

Im Jahr 1872 wurde mit Vorbereitungen zum Beheizen der Personenwagen begonnen. Am 4. Februar 1873 waren bereits alle Wagen der Eilzüge entsprechend ausgerüstet.8 Weil das benötigte Dampfvolumen von geringer Bedeutung war hatte man sich entschlossen, den Heizdampf den Lokomotiven zu entnehmen. Dadurch ersparten sich die Ostbahnen, anders als die Staatsbahnen, besondere Heizwagen und zusätzliche Heizer. Andererseits war die Heizung gemischter Züge (GmP) kaum durchführbar und wurde von den Ostbahnen auch nicht in Erwägung gezogen.

Mit den sog. „Eilzügen“ und „Postzügen“ wurde auch Eilgut mit „Eilgutwagen“ befördert, das waren gewöhnliche Güterwagen der Serie E, die ab 1894 der Staatsbahn Gattung „G.“ entsprach. Die Eilwagen jedoch mussten jetzt mit einer Heizdampfleitung ausgerüstet sein, damit unabhängig von ihrem Einstellungsplatz der Dampf durch die ganze Zugkette hindurch geleitet werden konnte. Zu diesem Zweck wurden 10 gebremste und 20 ungebremste E Wagen des Baujahres 1870 umgerüstet.

Bild Eilwagen mit Heizleitung (→ Endstutzen unterhalb der Puffer), VAN
Abb. 11: Eilwagen mit Heizleitung (→ Endstutzen unterhalb der Puffer), VAN

Anders als alle übrigen Güterwagen sind diese Wagen best. Stationen zugeteilt worden, nämlich Nürnberg (nur bis 1874), München, Passau, Eger**, Regensburg und Schwandorf und sie trugen auch den entsprechenden Stationsnamen auf ihren Schiebetüren.9 Eilgutwagen durften wie schon erwähnt grundsätzlich nur an vorgegebene Züge angehängt werden und zwar an „Eilzügen“ maximal drei Stück, an die übrigen Personenzüge maximal fünf. Generell hatte zur Weiterbeförderung solches Eilgut Vorrang, das von weiter her kam oder wenn es sich dabei um lebende Tiere, frische Fische oder sonstige leicht verderbliche Waren handelte. Es durften außer der Reihe auch reine Güterzüge benützt werden wenn dadurch der Zielort schneller als mit dem nächsten Personenzug erreicht werden konnte.10 Mit der Verstaatlichung wurden die Ostbahn Eilgutwagen im gleichen Sinne weiterverwendet und erhielten folgerichtig 1894 die Gattungsbezeichnung „N“.

Leider sind Angaben über die übernahme von Neuwagen in den Wagenpark der Ostbahnen nicht erhalten. Aber in den Jahren 1873 und 1874 wurde „übersehen“, die Wagen gemäß einer Bestimmung der norddeutschen Bahnen mit dem Datum der letzten Revision zu versehen. Deshalb sind den Ostbahnen „mancherlei Anstände“ bzw. Beschwerden nach Übergang solch unzureichend beschrifteter Wagen erwachsen. Die Ostbahn Werkstätten wurden von der Direktion beauftragt die fehlenden Angaben nachzutragen.11 Eigenartig ist, dass jeweils der letzte Tag des zutreffenden Monats angeschrieben werden sollte. Gab es keine Unterlagen über den Übergabetag mehr oder war damit nur eine Arbeitsvereinfachung bezweckt worden? Jedenfalls ist wenigstens dadurch der Übergabemonat der Güterwagen für den Zeitraum Dezember 1873 bis März 1874 dokumentiert. Bei den übrigen Wagen können nur die Vertragsabschluss Daten als Richtschnur dienen. Dabei muss aber beachtet werden, dass Vertrags- und Liefertermine sehr differieren konnten. So sollte z.B. Rathgeber laut Vertrag vom 21. Januar 1872 zwanzig Gepäckwagen liefern. Es waren aber genau zwei Jahre darauf erst 10 Stück übernommen worden, die restlichen folgten noch später.

Schon während der Ostbahn Zeit hatten einige Wagen der ersten Serie eiserne Untergestelle erhalten***. In den Jahren 1887 bis 1891 wurden die Wagenkästen von insgesamt 17 gebremsten und unge­bremsten Wagen aller Jahrgänge völlig neu aufgebaut, 1894 auch noch der eines Eilgutwagens. Kennzeichen der neuen Aufbauten war das eiserne Kastengerippe, die horizontalen Latten der Wände, außen wie innen und die Lüftungsöffnungen. Die Gestellmaße sind dem Radstand von 3590 mm angepaßt worden. überhaupt wurden im Prinzip die früheren Ostbahnnormen beibehalten. Das spricht dafür, dass die Umbauten in den Regensburger Werkstätten erfolgt sind.

Bild Umbauwagen mit Bremsen, KBE Ser. A. ex BOB Ser.E
Abb. 12: Umbauwagen mit Bremsen, KBE Ser. A. ex BOB Ser.E, Umbau aus Bavaria-Bausatz

Diese Umbauwagen waren u.a. an den geringfügig verschieden breiten Lüftungsöffnungen erkennbar und besonders an dem mittigen, bündig eingebauten Häuschen der Bremswagen. Dieses hatte eine für ehemalige Ostbahn Wagen typische, unsymmetrische Gestaltung der Stirnseite, weil die links gelegene Bremsspindel (von innen betrachtet) immer an ihrer bisherigen Stelle verblieben ist - bei den Staatsbahnen befand sie sich rechts der Mitte. Davor links lag der breitere Frontteil mit der Tür. Rechts innerhalb des schmäleren Frontteils befand sich der Bremsersitz, der etwas in die Türöffnung hineinragte.

Bild Umbauwagen mit Bremsen, (> Abb.12) Stirnseite (VAN)
Abb. 13: Umbauwagen mit Bremsen, (> Abb.12) Stirnseite (VAN)

Ein Blick von oben in das äußerst knapp bemessene Bremserhäuschen zeigt rechts die Sitzbank; die gegenüberliegende Fußbank ist verdeckt. Links ragt der rundliche Bremskurbelkasten in Laderaum vor. An den Längswand Hälften befanden sich in dem relativ kurzen Wagenkasten nur je zwei anstatt der üblichen drei Befestigungseinrichtungen für das Vieh. Zum Lüften wurden die Abdeckklapppen nach oben an die Dachsparren angeschlagen und arretiert.

Bild Umbauwagen mit Bremsen (> Abb.12) Blick in das Wageninnere
Abb. 14: Umbauwagen mit Bremsen (> Abb.12) Blick in das Wageninnere

Naturgemäß waren es die älteren Wagen mit hölzernem Untergestell, die als erste den Dienst quittieren mussten. Nur von wenigen dieser Wagen ist deren Existenz kurz nach der Jahrhundertwende noch nachweisbar: 29 dienten als Stationswagen, von 12 existierte nur noch der Kasten als Abstellraum, einer diente als Requisitenwagen, zwei dem Sanitätsdienst in Nürnberg und zwei als Unratabfuhrwagen in München.12

Anmerkungen zu den Modellen:

Trotz Umbaus auf die richtigen Abmessungen fehlen natürlich den RaiMo Modellen wichtige Charakteristika bestimmter Ostbahn Bauserien. Dafür tragen diese Modelle den richtigen Ostbahnanstrich in Braun.
Um funktionsfähige, das sind notwendigerweise maßstabsgerechte Drehpuffer zu erhalten, wurden bayerische Stangenpuffer der Firma Bavaria umgearbeitet. Leider mußte auf die Federung verzichtet werden, da der Federweg zu kurz geriet nachdem die Löcher in der Grundplatte, die zur Aufnahme der Pufferstangen bei Stoß dienen, nicht das hierzu notwendige, übermäßig weite Lumen erhalten sollten. Die Kupplungen des Verbindungswagens entsprechen der Ostbahn Norm, weshalb bei ihnen für das erste Kupplungsglied korrekterweise ein kurzes Bauteil gewählt werden konnte. Das geschah hier besonders aus optischen Gründen, damit diese Kupplungen wie beim Vorbild nicht über die unteren Kettenkupplungen hinüberragen.

Am Gestell wurden nur die Bolzenmuttern der Schrägstreben und Achshalterkulissen nachgebildet; alle Knotenbleche und ihre Bolzen wurden weggelassen. Die Muttern wurden nicht durch Prägung erzeugt was in dem dicken Material auch gar nicht möglich wäre, sondern durch Einsetzen von Draht in vorgebohrte Löcher. Das ist aufwendig aber eine ausgezeichnete Möglichkeit zu verhindern, dass beim Anlöten von weiteren Teilen die früher angebrachten wegschwimmen. Auch lassen sich so z.B. die seitlichen Kastenstützen problemlos in exakter Position montieren oder nach Abfallen wieder platzgenau einsetzen.
Es hat sich bewährt, die unteren Laufschienen der Schiebetüren nicht am Wagenkasten sondern nach Art des Vorbildes an die äußeren Kastenstützen aufzulöten. Diese müssen deshalb wie beim Original im Bereich der Laufschiene um ein entsprechendes Stück über die Kastenseite vorstehen. Wenn nun der Kasten vom Gestell abgehoben wird, fallen die Türen von selbst aus ihrer Position. Auf diese Weise ist jederzeit die komplette Längswand ohne Gefahr irgendwelcher Beschädigungen frei zugänglich. Im Falle von Schiebetüren, die wie bei den Ostbahn E Wagen oben zur Gänze von einer Art Abdeckleiste geführt werden genügt es, diese Leisten an ein abnehmbares Dach anzulöten.

Bild gedeckter Güterwagen (→ Abb. 1.) mit abgehobenem Kasten
Abb. 15: gedeckter Güterwagen (→ Abb. 1.) mit abgehobenem Kasten, die Bretterbodenplatte von unten

Bei Aufbauten mit eisernem Kastengerippe muss man einen bastlerischen Trick anwenden. Die Laufschienen werden rechts an den beiden vertikalen Verstärkungsprofilen verankert und letztere unten an die äußeren Wagenkastenstützen angelötet. Dann werden diese beiden Profile an der Oberkante der Laufschienen von ihrem oberen Teil abgetrennt. Diese Vorgehensweise ist unauffällig und man kann sie erst bei abgehobenem Wagenkasten bemerken.
Den Wagenkasten verankere ich für gewöhnlich mit der losen Bretterboden Platte, die von unten her verschraubt wird, wobei etwas vom Schraubenkopf einem Innenträger aufliegt. Innen an den Stirnseiten sind vier winkelförmig abstehende Drahtstückchen angelötet, die mit ihren freien Ende (→ Abb. 15 rechte Wand) in eine Nut auf der Unterseite der Platte zu liegen kommen und zwar gerade über den Innenträgern, so dass sie von unten unsichtbar bleiben.

Nachtrag:

Nach Abschluss des Artikels habe ich entdeckt, dass es ein frühes Foto mit E Wagen der ersten Serie gibt, das das Ergebnis der oben geführten Bremserhaus Diskussion bestätigt. Auf der Böttger Aufnahme von 1864 mit dem Regensburger Bahnhof kann man am östlichen Ende (links) des Empfangsgebäudes einige Wagen eines Güterzuges sehen, der auf dem ersten Gleis in der Bahnhofshalle steht. Bei sehr genauem Hinsehen kann man zwei Bremswagen erkennen (der erste und dritte von rechts), wobei die Bremserhäuser schräg von hinten zu sehen sind. Die Wagen stehen korrekt mit der Bremserseite nach München hin orientiert. Die gleiche Situation zeigt das Foto der Ostbahnhalle in München von etwa 1859, bei dem der Gepäckwagen am Zugende korrekt mit der Bremserseite von München weg zeigt, obwohl er kein vorstehendes Bremserhaus besaß. Der ursprüngliche Kopfbahnhof Landshut hatte eine quasi Drehung der Wagen zur Folge, so wie heute noch der ICE-1 über ein Gleisdreieck gewendet wird.


* Unfertiges Modell eines gedeckten, vierrädrigen bayer. Staatsbahn Güterwagens mit Bremsen von 1847, die spätere Gattung AII (siehe auch Abb. 7, links).
** Das böhmische Eger ist das tschechische Cheb. Sein Bahnhof war ursprünglich Gemeinschaftseigentum der Ostbahnen und der bayerischen und sächsischen Staatsbahnen, etwas später auch noch der Buschtehrader und der Franz-Joseph Bahnen wobei die Leitung der Betriebsverwaltung den Ostbahnen bzw. ihren Rechtsnachfolgern übertragen war.
*** Grundsätzlich habe ich die amtlichen Pläne als Referenz zur Untergestell Konstruktion herangezogen, obwohl sie, wie folgendes BOB Schreiben an die Generaldirektion der bayer. Staatsbahnverwaltung beweist, nicht immer zutreffend sind: „Alle unsere Personen und Packwagen haben hölzerne, mit drei Linien starken eisernen Platinen belegte Längenbalken und werden auch die im vorigen Monate neuerstellten Wagen dieser Categorien wieder gerade so, wie die früheren ausgeführt, obgleich in der beiliegenden Zeichnung die Packwagen (mit) eisernen Längenbalken angegeben sind.“13 (10O Linien = 10 Zoll =1 bayer. dec. Fuß).

Quellenachweis:

VAM = Verkehrsarchiv, München, Bayerisches Hauptstaatsarchiv

VAN = Verkehrsarchiv, Nürnberg, DB-Museum

MAN = MAN Archiv, Augsburg

Literatur:

1: 1060, ---.11.1859 8: VAM 1747, 04.03.1873
2: VAM 1064, 18.11.1867 9: VAM 1068, 07.12.1874
3: VAM 30192, 02.03.1860 10: VAM 1107, 30.10.1872
4: VAM 30192, 08.03.1860 11: VAM 1068, 09.11.1874
5: VAM 30192, 13.03.1860 12: VAM 38101, 1902 ff
6: VAM 1064, 28.10.1867 13: VAM 32148, 14.02.1861
7: VAM 1700, 21.11.1858