Mit Vertrag vom 6. August 1858, also erst drei Monate vor Betriebseröffnung, wurden bei Klett in Nürnberg 150 und bei Nöll in Würzburg 101 offene Güterwagen der Gattung „F“ in Auftrag gegeben. Allerdings besaß die Gesellschaft bereits eine Anzahl „gedeckte“ (geschlossene) Güterwagen und außerdem war der Güterverkehr in den ersten Wochen noch sehr bescheiden. Deshalb wurde erst am 23. November 1858 der planmäßige Einsatz eines reinen Güterzug Paares mit Haltepflicht an jeder Station gestartet, nämlich von München nach Landshut und umgekehrt. Von da an durften hier Güter grundsätzlich nur noch mit ihnen transportiert werden; allein Eilgüter fanden weiterhin in den gemischten Zügen Aufnahme 1.
Die F Wagen zeigten die gleichen Konstruktionsmerkmale wie die entsprechenden Wagen der Staatsbahn der 50er Jahre: eine Art Fachwerkgerüst aus starken „Stollen“ und „Riegeln“ wurde auf der Innenseite mit Brettern „verschalt“. Die Längswände waren auf die Längswandträger aufgesetzt und mit Schrauben fixiert und konnten deshalb nur mit Werkzeug abgenommen werden. Ein Längsbalken lag der Mitte der beiden Rundgiebel auf als Auflage für eine Decke. Die Wagen wurden zum Transport verschiedenster Waren eingesetzt wie z.B. von Großvieh, Getreide, Bretter, Maschinen etc.
Bei den F Wagen befanden sich der Firstbalken in der gleichen Höhe wie das Dach der gleichzeitig gebauten „gedeckten“ Güterwagen; die offenen Wagen hatten dadurch annähernd das gleiche Ladevolumen wie jene (Abb. 1 u. 2).
Die Wagendecken waren eigens durchnummeriert (1860 von 1 – 160) und auf 12 größere Stationen, später nur noch auf 3 Depots aufgeteilt. Alle Stationen konnten sie bei Bedarf von der in ihrem Inspektionsbezirk gelegenen Depot-Station abrufen. An Hand der Nummern hatten die Lagerstellen die Möglichkeit, die Rückgabe der Decken zu kontrollieren. Die Güterzugführer oder Güterkondukteure waren verpflichtet die in ihrem Zug mitgeführten Decken in die Begleitpapiere einzutragen. Besonders die Endstationen München, Nürnberg, Passau und Furth (zur Vermeidung von Verwechslungen mit Fürth 1862 in Furth i/Wald umbenannt) waren auf besonders sorgfältiges Listenführen hingewiesen worden, damit die Decken nach Übergang auf „fremde“ Bahnen nicht abhanden kamen.
Zum Festzurren der Decken befanden sich außen an den Stollen Ringe. Nach Gebrauch mussten die Decken gesäubert und getrocknet und zur Vermeidung von zu vielen Falten in Paketen von mindestens 1,20m Kantenlänge zusammengelegt an ihr jeweiliges Depot zurückgegeben werden 2. Wagendecken hatten generell den Nachteil, dass sie sehr anfällig gegen Beschädigungen waren und einen hohem Verwaltungsaufwand verursachten. Außerdem zeigen viele Ermahnungen und Maßnahmen seitens der Direktion, dass die Rückgabe der Decken nicht gut funktionierte.
Das Bremserhaus der F Wagen war das auffallendste BOB Merkmal. Die Staatbahnwagen besaßen zu jener Zeit noch keine Bremserhäuser, sondern allenfalls Bremsersitze auf den gedeckten Güter- oder Personenwagen, von denen aus der Zug nur in eine Richtung überblickt werden konnte. Bei den BOB Wagen saßen die Bremser quer zur Fahrtrichtung, so dass sie ohne Schwierigkeiten die Wagenkette nach vorne und hinten kontrollieren konnten. Deshalb konnten die Bremswagen prinzipiell an beliebiger Stelle in den Zug eingestellt werden und nicht (zumindest) je einer am Ende und am Anfang der Wagenreihe wie bei der Staatsbahn. Die ersten BOB Bremser Häuser waren zu einer hin Seite offen; ihr Dach schloss bei den F Wagen in Höhe ihrer Giebelwände mit gleicher Rundung ab. Die Bremswagen besaßen zusätzlich unter dem Gestell einen „Utensilien“ Kasten für den Kondukteur bzw. den Bremser.
Die Wagenkastenhälfte auf der Bremserseite war - gemäß den Plänen von 1872 und später - gegenüber derjenigen der ungebremsten Wagen etwas verkürzt, damit das Plateau nicht zu weit vorragte. Es existiert aber ein 1:10 Plan eines Bremswagens aus der Druckerei der BOB Direktion stammend mit unverkürztem Kasten. Dabei stand das Bremserhaus so weit vor, dass es quasi bündig mit den Puffern abschloss (VAN, Plankammer). Auch in einer Aufstellung der Güterwagen, „welche zum Transport von Militärfahrzeugen verwendbar sind“ ist nur eine einheitliche Ladeflächen Länge* von 19,6’ für gebremste und ungebremste F Wagen angegeben 3. An Hand der Ladeflächen, wie sie 1894 aufgelistet sind, konnten solche F Bremswagen nicht nachgewiesen werden 4. Wenn es diese Wagenausführung tatsächlich gegeben haben sollte kann das nur heißen, dass nach 1862 die Wagenkästen der Bremswagen nach der Art verkürzt worden sind, wie sie für alle folgenden Neubauwagen die Norm war.
Auf dem Foto von 1872 zum Bau der „Lok-Remise-Regensburg“ (VAN) sind drei bzw. vier F Wagen halbverdeckt mit auf das Bild gelangt: in der vorletzten Wagenreihe steht links ein gebremster und rechts daneben ein ungebremster Wagen. Der eine stand da ohne seinen Firstbalken, weil das geladene Gerät einer englischen Firma (siehe Decken Aufschrift) dafür zu hoch war. Ganz links ist ein weiterer F Wagen angeschnitten zu erkennen. Leider nicht mehr sichtbar rechts im Bild steht noch ein mit Holz beladener ungebremster F Wagen. Die schräg stehende Sonne lässt die starke Profilierung der Wände in Gestalt der ca. 10 cm starken Stollen deutlich hervortreten (Abb. 3).
1860 und 1861 wurden von Nöll weitere 69 baugleiche F Wagen geliefert. Mit insgesamt 320 Stück war dieser Typ offener Wagen allerdings nicht ausgesprochen stark im BOB Wagenpark vertreten. Eine wesentlich größere Rolle spielten z.B. die Kohlenwagen.
Im Laufe der Jahre nahm die Bedeutung der Getreide Transporte, vor allem aus Ungarn erheblich zu. So entstanden 1867 für die BOB Probleme, eingegangene Transportverpflichtungen zu erfüllen. Rund 500 geschlossene Güterwagen und alle Großviehwagen wurden in Passau für den Transport aus Österreich-Ungarn zusammengezogen. Zum Ausgleich wurde bestimmt, dass zum Großviehtransport nur noch F Wagen verwendet werden dürfen. Für Getreidetransporte innerhalb des BOB Netzes wurde ebenfalls eine Anzahl F Wagen reserviert. Für sie wurden im Depot in Geiselhöring eine ausreichende Menge an „Kautschuk-Decken“ bereitgehalten 5.
Besonders nach der Verstaatlichung erfolgte in den Zentralwerkstätten von Regensburg und Nürnberg über Jahre hinweg ein modernisierender Umbau. Bereits zur Ostbahnzeit hatten 14 Wagen eiserne Untergestelle erhielten (siehe 1:10 Plan vom Mai 1871, VAN, Plankammer). Dabei wurden teilweise die alten Achshalterkulissen beibehalten, teilweise neue eingebaut welche denen der Staatsbahn ähnelten. Nach 1876 wurden die Federn aller Wagen verstärkt, um Ladegewicht und Tragfähigkeit zu erhöhen (1000/10500 kg → 12500/13125 kg). Besonders auffallend waren nach Umbau der Wagenkästen die neuen, oben dreieckig abschließenden Giebelwände (Abb. 4 u. 5).
Ein solcher ungebremster Wagen ist 1892 auf einer Fotografie festgehalten worden: Bau der Hackerbrücke, rechts, 4. von hinten (Abb. 6). Bei vielen Wagen wurden sogar die Längenabmessungen vergrößert und der Radstand auf 3,59m – ein typisches Ostbahnmaß (Abb. 7 u. 8).
Merkwürdig ist, dass laut Planskizze an einem Ende der Seitenwände Einsteckhalter nach deutscher Verbandsnorm für die Signallaternen montiert worden sind, aber an dem anderen Ende die alten Einhängekloben erhalten blieben.
Zehn Wagen sind zu Eichwagen umgebaut worden (Abb. 9). Bei diesen Wagen blieben die alten hölzernen BOB Untergestelle unverändert erhalten.
Anmerkungen:
Zu den Modellen sei noch angefügt, dass sie in herkömmlicher Weise manuell hergestellt worden sind und nicht so gleichmäßig sind wie etwa mit Ätztechnik hergestellte. Die Gussteile stammen von Bavaria; leider gibt es noch keine BOB Achslager. Die massiven Wagenkastenabstützungen der früher gebastelten F Wagen werden bei Gelegenheit gegen korrekte ausgetauscht werden.
* 19,6’ = 19,6 bayer. Dezimal Fuß bzw. 5,72m
Quellenachweis:
VAM = Verkehrsarchiv, München, Bayerisches Hauptstaatsarchiv
VAN = Verkehrsarchiv, Nürnberg, DB-Museum
MAN = MAN Archiv, Augsburg
Literatur: 1: VAM 1060, 20.11.1858 2: VAM 1060, --.09.1860 3: VAM 1722, 06.09.1862 4: VAN V 807b 5: VAM 1061, 28.10.1867