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Die „königlich privilegirten bayerischen Ostbahnen“ (B.O.B.), 1858-1875
Signalwesen


Dr. Gert von Rosen –von Hoewel

Am 30. Mai 1859 erschien in der Gazette „Der Bayerische Landbote“ ein recht gehässiger Artikel, in dem der Ostbahnverwaltung u. a. der Vorwurf gemacht wurde, dass sich angeblich wegen „der Sparsamkeit der Ostbahnen“ und fehlender Formsignale beinahe ein Zugzusammenstoß ereignet hätte. Der Artikel endet mit den Worten: „Nicht eine wohlfeile, sondern eine sichere Verwaltung der Privatbahnen ist die beste.“ 1 Tatsächlich hat die Ostbahnverwaltung in den ersten Betriebsjahren auf Flügelsignale verzichtet, obwohl an den Bahnlinien der bayerischen Staatsbahnen seit 1850 optische Telegraphen standen. Noch 1864 hat BOB Oberingenieur Krämer in einer Stellungsnahme an den VDEB* geäußert: „... Wir erachten es nicht für notwenig die regelmäßigen Züge, welche dem Bahnpersonal durch die Fahrpläne bekannt sind und bei denen jeder Bahnwärter die Minute weiß bei welcher der Zug bei ihm passiren muß ihm nochmals durch Läutewerke zu signalisiren. Von dem Augenblick an wo ein Zug bei einem Bahn­wärter passiren soll hat derselbe ohnedem auf dem Posten zu sein und den Zug zu erwarten. Ob dieser Zug 5, 10 oder noch mehr Minuten später an seinen Posten gelangt bleibt insofern gleichgültig ... 2
In dieser ablehnenden Einstellung wurde man damals noch dadurch bestärkt, dass Signallichter bei Nebel kaum sichtbar waren, was auf der Strecke durch das Tal der Isar nicht selten vorgekommen sein wird. Eine geringe Zugfrequenz und niedrige Reisegeschwindigkeiten schienen keinen besonderen kostenträchtigen techni­schen Aufwand zu erfordern, eher noch die Eingleisigkeit der meisten Strecken. Die Ost­bahnverwaltung verließ sich vielmehr auf ein zuverlässig arbeitendes Betriebs­personal und auf die von Anfang an bei ihnen installierten elektrischen Telegraphen der Firma Siemens & Halske, mittels derer die Hauptstationen und die meisten Zwischenstationen untereinander verbunden waren. Hiermit konnte z. B. die Abfahrt eines Zuges schnell und sicher weitergemeldet werden.

Auf der freien Strecke gab es eine große Zahl von Wegübergängen, deren Barrieren bzw. Bahnschranken bedient werden mussten. Es konnten zudem unerwartete Verkehrshindernisse oder Probleme an einem Zug entstanden sein. Da waren zusätzliche Signalisierungs­möglichkeiten von Bedeutung. Bahnwärter wurden in Sichtweite von einander entlang jeder Bahnstrecke stationiert, wo sie meist Gelegen­heit hatten, am Rande der Bahntrasse in speziellen Bahnwärterhäuschen zu wohnen, damit sie jederzeit zum Dienst bereit sein konnten. Für die Signalgebung ist ihnen zum Einsatz bei Tage die Bahnwärterfahne und für die Dunkelheit. eine Petroleumlampe mit farbigen Einsatzgläsern zugeteilt worden. Vier Bahnwärter Signale waren mit der Signalordnung von 1858 vorgegeben.3

1. Strecke in Ordnung : „Bei Tag schultert der Bahnwärter die im Futterale befindliche Flagge. Bei Nacht hält er die Laterne mit weißem Glase kopfhoch, dem Zug entgegen.“

Dieses für heutige Zeiten ungewöhnliche Signal lag in der relativ störanfälligen Konstruktion der Gleisanlagen begründet. Zu den wichtigsten Aufgaben der Bahnwärter gehörte es, zwischen den Zugpassagen den Ihnen zugewiesenen Streckenabschnitt zu begehen. Er musste die Strecke sauber halten, den Sitz der Schraubenbolzen und der Stühle überprüfen, sie gegebenenfalls arretieren und wenn möglich kleinere Reparaturen an den Gleisen ausführen. Dazu stand ihm ein Sortiment verschiedener von der Bahngesellschaft gestellter Werkzeuge zur Verfügung.

2. Langsam fahren: „Bei Tag tritt der Bahnwärter etwas vor und senkt die entfaltete Flagge gegen die Schienen. Bei Nacht hält er die Laterne mit rothem Glase dem Zuge entgegen.“

3. Der Zug soll halten: „Der Bahnwärter tritt 1000 Schritte von der Stelle wo gehalten werden soll, in die Mitte der Bahn dem Zug entgegen, und schwingt bei Tag die Flagge vom Kopf nach den Füßen im Kreise herum, bei Nacht die rothe Laterne.“ Dieses Signal wäre bei den heutigen Reisegeschwindigkeiten völlig undenkbar.

Obwohl kein Bahnwärter Zugang zum Telegraphen hatte konnte er Nachrichten über die Nachbarbahnwärter bis zu einer Hauptstation in Gestalt des vierten Bahnwärtersignals weitergeben:

4. Eine Hilfsmaschine soll kommen: Der Wärter eilt in der Richtung gegen den Bahnhof, woher die Hilfsmaschine komen soll, dem nächsten Bahnwärter entgegen, bei Tag die entfaltete Flagge, bei Nacht die grüne Laterne hoch in die Höhe haltend, und zwar soweit bis der nächste Bahnwärter das Zeichen verstanden hat und weiter gibt“, also in gleicher Weise den nächsten Bahnwärter informiert und so fort.

In der Signalordnung ist ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass die Bahnwärter darauf achten müssen, die Signale in die richtige Richtung weiterzugeben. Ein Fehler „wird mit den strengsten Strafen geahndet und unter Umständen mit sofortiger Entlaßung bestraft.“

Anders als im Straßenverkehr diente die Beleuchtung der schienengebundenen Fahrzeuge weniger der Ausleuchtung der Strecke sondern sie hatten vielmehr eine Signalfunktion für das Betriebspersonal. Durch eine normale Bahnwärterflagge bzw. einer grün leuchtenden Laterne am Kamin wurde eine gerufene Hilfsmaschine angezeigt. Mit einer weißen Flagge am letzten Wagen wurde bei Tag und mit einer weiß leuchtenden Laterne bei Nacht ein nachfolgender Extrazug angekündigt, ein solcher Gegenzug entsprechend aber mit roten Farben. Die Standardbeleuchtung der Ostbahnen waren bis 1870 zwei weiße Außenlichter; bei den bayer. Staatsbahnen dagegen rotes Licht. Allerdings trug 1859 die Lok A 18 auf dem Foto des Eröffnungszuges in Landshut rechts außen ein rotes Licht (das linke ist verdeckt) und am Kamin ein weißes. Die Beleuchtung der Lokomotiven war in der vorliegenden Signalordnung von 1858 nicht angeführt worden.

Mit anhaltendem Pfeifen konnte ein Maschine „Hilfe soll kommen“ anzeigen, worauf der Bahnwärter, wenn eine Schadensabhilfe vor Ort nicht möglich war, in Absprache mit dem Zugpersonal Signal 4 gesendet hat.

Zwischen der Signalisierung mit Bahnwärterflagge bzw. Laterne und optischem Telegraphen bestand kein grundsätzlicher Unterschied. Letztere wurden noch nicht von einer Station aus sondern ebenfalls von den bei ihnen postierten Bahnwärtern bedient. Ihre bessere Sichtbarkeit auf größerer Entfernung war ihr wichtigster Vorteil. Weil bei sämtlichen Lokomotiven der die Verantwortung tragende Lokomotivführer seinen Standplatz auf der rechten Seite der Maschine hatte, mussten die Bahnwärter ihre Signale immer der rechten Seite des ankommenden Zuges geben, wie in einer Entschließung des Direktoriums von 1867 besonders hingewiesen wurde.4 Dieses sicherheitsrelevante Argument hat für die Aufstellung der Signaleinrichtungen bis heute Bestand.

Ende 1868 ist die Zentralwerkstätte in Regensburg von der Direktion angewiesen worden, die ersten sechs Formsignale anzufertigen.5 Man wollte vermeiden, dass Personenzüge einen Planhalt in einer Zwischenstation wahrnehmen wenn dort niemand einsteigen wollte. „Diese Signalvorrichtung besteht aus einer in einem gußeisernen Ständer drehbaren runden Blechscheibe, auf deren einen Seite zwei mit rothem Glas versehenen Laternen eingehängt werden können6 Im genanten Fall stand die vielleicht rot markierte Fläche der Signalscheibe mit ihrer Schmalseite dem Zug zugedreht und war somit für ihn unsichtbar. Sofern auch niemand aussteigen wollte, musste der Zugführer den Lokführer darüber informieren und der Zug konnte die Station ungehindert passieren. Sollte der Zug halten, stand die Scheibe quer zum Zug gestellt. Anders als der zitierte Text vermuten läßt hing auf jeder Seite der Scheibe eine Laterne, so dass nachts das Haltzeichen in beide Fahrtrichtungen leuchten konnte. Zu den ersten 19 endgültig mit diesen Signalen bedachten Stationen gehörte Feldmoching.

In den Ostbahnakten des Verkehrsarchivs München befindet sich eine Skizze eines Scheibensignals der Rheinischen Eisenbahn.7 Deren Scheibe wurde bei dem Signalzeichen „Nicht halten“ wie bei dem späteren Vorsignal in eine waagrechte Position gekippt. Die Mechanik war verhältnismäßig aufwendig und diese Konstruktion ist nicht übernommen worden.

„Erläuterungen“ vom Januar 1870 zur Signalordnung bezogen sich auf eine beabsichtigte Revision der Signale. Zu den neu eingeführten gehörten Knallsignale mit „Petarden“, von denen jeder Bahnwärter 4 - 6 Stück zugeteilt bekam. Auch jeder Wagenwärter erhielt 3 Stück davon, die er in einem Holzkästchen und in Sägespänen gelegt in seinem Werkzeugkasten auf der Reise stets bei sich haben musste. Sie wurden z.B. bei unerwarteten Störungen an den Gleisanlagen und bei schlechter Sicht an den Schienenstößen befestigt.

Es wurden auch an den Lokomotivtendern Signalglocken angebracht. Diese waren über eine lange Leine mit dem letzten Bremswagen des Zuges verbunden. Ein Ziehen an der Leine durch einen Wagenwärter und der nachfolgende Glockenton war für das Lokpersonal das Zeichen, den Zug unmittelbar zum Stehen zu bringen – die Notbremse jener Zeit. Jeder Wagenwärter hatte immer 225m Leine in drei 75m Stücken bereit zu halten.

Die endlich beschlossene neue Signalordnung stammt vom Juni 1870.8 In ihr finden sich die Bahnwärter Signale wieder, allerdings sollte neuerdings für die Tageszeit eine kleine Handscheibe benützt werden, welche die Fahne auch an den Wagen allmählich ablösen sollte. Jetzt waren auch Signale von Weichenwärtern aufgenommen worden, die denen der Bahnwärter im Prinzip glichen.

Nicht immer konnten Neueinführungen fristgerecht umgesetzt werden, z. B. die der Handscheibe. Anfang 1873 schreibt die Landshuter Bahnverwaltung, nachdem diese „in steter Erwartung der baldigen Einführung der Signalscheiben“ den Umtausch schadhafter Fahnen nach Möglichkeit nicht vorgenommen hat, dass schließlich die Wärterfahnen im ganzen Ingenieurbezirke Landshut unbrauchbar geworden seien. Die Inspektion in München meldete daraufhin, dass auch bei ihnen keine Handschilder vorrätig sind.9

Es wurden die sog. „Zugslaternen“ mit weißem Licht aufgeführt. Je zwei davon leuchteten an der Lokomotive nach hinten und am letzten Wagen nach vorne. Sie dienten der Kontrolle, ob der Zug noch vollständig war. Die bisherigen Signalzeichen von Zügen bzw. Maschinen sind inzwischen denen der Nachbar­bahnen angeglichen worden. Gewöhnlich leuchteten jetzt nachts je zwei rote Laternen an beiden Seiten der Lokomotive nach vorne und am letzten Wagens nach hinten. In den Erläuterungen steht der bemerkenswerte Hinweis: „Durch diese Änderung hat das rothe Licht im Allgemeinen eine schärfere und präzisere Bedeutung erhalten, indem das Sichtbarwerden desselben nach den revidierten Signalvorschriften unbedingt „Haltgebietet.“, während es vorher sowohl für Vorsicht, langsam weiterfahren und für Halt gestanden hat. Ein Extrazug wurde durch eine weiße Scheibe bzw. durch eine weiße Laterne hinten am letzten Wagen angekündigt, so dass bei Dunkelheit drei Laternen in einer Reihe leuchteten. Handelte es sich um einen Extrazug aus der Gegenrichtung so hatten die Zusatzsignale eine rote Farbe!

Die Trompetensignale wurden abgeschafft, dafür wurde eine Fülle von Horn-, Schrillpfeifensignalen des Personals und von Pfeifsignalen der Lokomotiven aufgeführt, auf die hier nicht weiter eingegangen wird.

Interessant ist, dass jetzt praktisch für alle Stationen Formsignale vorgesehen waren, allerdings immer noch in Gestalt der horizontal drehbaren runden Scheiben. In den vorher angeführten Erläuterungen wurden sie als „Sperrsignale“ bezeichnet. Sie haben allerdings einige Modifikationen erfahren denn es ist nur noch von einer Laterne pro Scheibe die Rede (s. u.).

  • Die breite Fläche der Scheibe wurde dem Zug zugewendet, wenn er vor einer Hauptstation bzw. in einer Zwischenstation halten sollte. Sollte ein durch­gehender Zug unfahrplanmäßig in einer Zwischenstation anhalten und falls das Formsignal mitten in der Station gegenüber dem Hauptgebäude stand, musste der Wärter der dem Zug zugewendeten äußersten Weiche mit der Bahnwärterflagge oder der neuen Handscheibe und bei Nacht mit einer grünen Laterne das Signalsymbol „Langsam fahren“ zeigen.

  • Diese Signale sollten ab 1. September des Jahres gelten, was aber der Krieg gegen Frankreich verhindert hat. In einem besorgten Schreiben an die Lieferfirma, an die Dillinger Hüttenwerke an der Saar, ist eine Scheibe mit den Abmessungen wiedergegeben worden, was bei dem völligen Mangel an Planskizzen von BOB – Signalen ein höchst erfreulicher Umstand ist.10
Bild Maßskizze der Scheibe eines Sperrsignals, 1870
Abb. 1: Maßskizze der Scheibe eines Sperrsignals, 1870

In dem Schreiben ist die Rede von „90 Stk größere und 200 Stk kleinere runde Blechscheiben“. Es ist nicht angegeben, zu welchem unterschiedlichen Zweck die beiden Sorten dienen sollten. Von den Anzahlen her ist es denkbar, dass die größeren für Sperrsignale und die kleineren für Handscheiben gedacht waren. Mit der Skizze sollte besonders auf eine ovale Scheibe von 25mm Breite in der Schildmitte hingewiesen werden. Handelte es sich bei ihr um eine Gegenscheibe zum Arretieren des Schildes an der vertikalen Drehstange?

Wegen des Erliegens von privaten Transporten von der Saar nach Bayern kam die Lieferung nicht zustande und die Schilder wurden wieder abbestellt. Nach dem baldigen Kriegsende konnte das Vorhaben wieder aufgenommen werden. Bereits im November 1872 waren alle Zwischenstationen von der Zentralwerkstätte in Regens­burg mit Scheibensperrsignalen versorgt und die Belieferung der 13 größeren Stationen begonnen worden.11 Zum 16.11.1872 sollte die Aufstellung der neuen Signale abgeschlossen sein.

Die schematischen Darstellungen der neuen Signale sind einer weiteren „Erläuterung“ von 1873 entnommen.12 Die schwarz-weiß Kopien sind der Vorlage entsprechend koloriert worden.

Als Signalpfosten waren Metallröhren vorgesehen gewesen. Die bestellten 77 Stück befanden sich im Oktober 1870 auf Güterwagen verladen bei dem Zwischenhändler Leipheimer in Mannheim.13 Sie mussten aber wegen des Krieges wieder abgeladen werden und haben ihren Empfänger nie erreicht. Alle Signale wurden sodann auf hölzerne Pfosten montiert, die aus frisch geschlagenem Holz gefertigt werden mussten, damit sie vor dem Einsatz imprägniert werden konnten.

Bild Sperrsignal der Zwischenstationen (1873)
Abb. 1: Abb. 2. Sperrsignal der Zwischenstationen (1873),
links „Einfahrt gestattet“, rechts in „Halt“

Die Signallaterne ist über dem Schild aufgesteckt worden und besaß vier Farbgläser, damit je nach Stellung für beide Richtung entweder das Halt- oder das Einfahrtssignal ausgestrahlt werden konnte. Die Bedeutung der Farben entsprachen der der modernen Straßen­verkehrsordnung.

Stationen mit einem Ausweichgleis wie z. B. Feldmoching oder Schleißheim erhielten drei Signale. Zwei davon bei den äußersten Ausweichen auf der rechten Seite des ankommenden Zuges, das dritte in der Mitte des „Perrons“ bzw. Bahnsteigs gegenüber dem „Expeditionslokal“ bzw. Bahnhofsgebäude. Eine richtige Platzwahl sollte es ermöglichen, dass die beiden äußeren Weichenwärter das zentrale Signal sehen konnten und umgekehrt von diesem aus die beiden äußeren Signale sichtbar waren.

Die restlichen Zwischenstationen wie z. B. Amselfing erhielten nur ein Signal für die Stationsmitte zugeteilt.

Ende 1872 hat die Direktion dem Verwaltungsrat einen Änderungsantrag bezüglich der Signale der Hauptstationen vorgelegt.14 Dazu sah man sich auf Grund der Ergebnisse der Techniker Versammlung vom Juni 1871 in Hamburg gezwungen und es hatten bereits auch nahezu alle anderen Bahnen des deutschen Verbandes entsprechende Signale eingeführt. Bis zum 15. Januar 1873 sollten zweibegriffige „Semaphoren“ (= Zeichenträger) aufgestellt sein. Noch am 1.11.1872 waren in einer Anweisung an die Zentralwerkstätte die Semaphoren mit einer runden Scheibe dargestellt worden aber in der endgültigen Ausführung besaßen sie Flügel ähnlich denen der Perronsignale der bayerischen Staatsbahnen.

Bild Sperrsignal der Hauptstationen  (1873)
Abb. 3. Sperrsignal der Hauptstationen (1873), Stellungen wie in Abb. 2

Bei ihrer Aufstellung galten die gleichen Bedingungen wie bei den Signalen der Zwischenstationen.

Landshut war eine der sieben Stationen, in die zwei Bahnen einmündeten. In diesem Fall gab es die zwei Semaphoren für den äußeren Bereich und einen dritten mit zwei übereinander montierten Flügeln für die Stationsmitte. Die Weichenwärter mussten informiert sein, welcher Flügel für welche Richtung Geltung hatte. In Landshut galt der untere für die Richtung von Geiselhöring der obere wie bei den anderen Stationen für die von München. Die Lichter der zentralen Semaphoren waren nach rückwärts geblendet, während die Lichter der äußeren in beide Richtungen leuchteten.

Wie aus der Beschreibung zur Aufstellung der Signalmasten abzuleiten ist, war das zentrale Signal die oberste Befehlsinstanz. Nur der Bahnhofsvorstand bzw. sein Stellvertreter durften den Auftrag zum Geben oder Einziehen einer Signalorder erteilen. Die äußeren Weichenwärter mussten an ihrem Sperrsignal sofort nachvollziehen, was das zentrale vorgab. Waren diese Signale auf „Halt“ gestellt, musste der Lokführer seinen Zug vor dem Signal zum Halten bringen und durfte erst dann mit der langsamen Einfahrt in den Bahnhof beginnen, wenn der Haltbefehl des zentralen Signals und dem folgend des äußeren eingezogen war. Damit entsprach das äußere Sperr- bzw. Abschlusssignal dem modernen Einfahrtssignal. Gegen die Bedienungsregeln ist gelegentlich verstoßen worden. So wurde einmal von der Direktion moniert, dass in einigen Stationen das zentrale Signal immer auf „Halt“ stände und es den äußeren Weichenwärtern überlassen bliebe, ihr Signal in die richtige Stellung zu bringen.15

Eine gute Sichtbarkeit der Signale hat in Abweichung von der Norm zu mancherlei Besonderheiten geführt. Oft waren lang gezogene S-Kurven oder die große Länge der Gleisanlagen der Grund dafür, dass der Blick zwischen zentralem und äußerem Sperrsignal behindert war. In Amberg z. B. störten zusätzlich die Güterhalle und in Nürnberg zwischen der Werkstätte und der Regensburger Straße abgestellte hohe Wagen. Auf entsprechende Einwendungen hin musste man sich anfangs mit der Aufstellung von Leitern bei den äußeren Sperrsignalen behelfen, bis nämlich die Aufstellung von zwei zusätzlichen einarmigen „Übertragungs-Semaphoren“ mit höheren Masten von 3m Länge in Amberg und von zwei doppelarmigen in Nürnberg genehmigt war.16 München und Passau hatten aus gleichem Grund einen zusätzlichen, allerdings einfachen Übertragungssemaphor. Aus gleichem Grund erhielt 1875 die Station Straubing die höheren Semaphoren anstelle der bisherigen Scheibensignale.17 In Etzelwang gab es eine sonderbare Regelung. Das Sperrsignal ist an das eine Ende des Perrons auf der Bahnhofseite versetzt worden, die dazugehörige Signallaterne gegenüber davon auf der quasi richtigen Perronseite.

Die Einführung der neuen Vorschriften ging verständlicherweise nicht ganz reibungslos über die Bühne, was nicht nur am Personal lag sondern auch an einer besonderen Auslegung der Regeln, speziell des § 5.:

  • Fünf Minuten vor der fahrplanmäßigen Zeit des Eintreffens eines Zuges ist das in der Nähe der Station auf „Halt“ gestellte Signal umzuziehen, wenn dem kommenden Zuge ein Hindernis für die Einfahrt in die Station nicht entgegensteht.

  • Dem Einziehen des Signals „Halt“ in der Station haben die die äußeren Signale bedienenden Weichenwärter durch Eingreifen ihrem auf „Halt“ gestellten Signale zu folgen.

  • Sobald die Züge die Station verlassen haben, sind die Signale wieder auf „Halt“ zu stellen.“

Anfangs durfte ein aus einem Bahnhof ausfahrender Zug den äußeren Abschlusssemaphor passieren, auch wenn dieser „Halt“ anzeigte. Als Sperr- bzw. Einfahrtssignal galt er nur für einfahrende Züge aus der Gegenrichtung. Jetzt hatten die Abschlusssignale zusätzlich die Funktion eines Ausfahrtsignals erhalten.

Am 28.11 1873 hatte ein Zugführer in seinen „Stundenpaß“ bzw. Streckenbericht eingetragen, dass sich der Lokführer seines Zuges in Altenschwand geweigert hat aus der Station auszufahren, nachdem nur das Perronsignal, nicht aber das Abschlusssignal auf freie Fahrt stand. Der Bahnhofsvorstand war der Meinung, dass das genügen müsse, wurde aber nachträglich von höherer Stelle belehrt, dass er im Unrecht gewesen sei.18

Der Grund für die Meinungsverschiedenheit ist schnell gefunden wenn man bedenkt, dass der § 5 aus nicht mehr erklärbaren Gründen nur auf die Zwischenstationen angewendet worden ist, aber nicht – Eger ausgenommen – auf die Hauptstationen. Noch im April 1875 hat die Inspektion Regensburg bei der Direktion auf die Problematik der ausgeübten Praxis hingewiesen. Im Lauf dieses Jahres wurden schließlich auch die Abschlusssemaphoren in diese Regelung einbezogen.

Die Station Eger hatte eine weitere Besonderheit. Diese Station war gemeinsames Eigentum von anfangs drei, später von fünf Bahn Gesellschaften. Die Ostbahn­verwaltung hatte die Bauausführung und die Betriebsaufsicht übertragen bekommen. Die Semaphoren wichen hier von der Ostbahnnorm ab. Der Unterschied lag in der Darstellung des Signalsymbols „feie Fahrt“, welches hier von einem schräg nach oben weisenden Flügel angezeigt wurde.

Bild Sperrsignal von Eger, Stellung „freie Fahrt“
Abb. 4. Sperrsignal von Eger, Stellung „freie Fahrt“

In Eger gab es sogar einen vierflügeligen Semaphoren, ähnlich wie seit 1875 in Regensburg.

1874 wurde von dem Reichseisenbahnamt in Berlin ein „Entwurf zu einer einheitlichen Signalordnung für die Eisenbahnen Deutschlands“ verteilt, in dem alle derzeit gültigen Signale des Verbandes aufgeführt waren.19 Der Semaphor der Ostbahnen zeigte als Fahrsignal ein neues Bild, nämlich ebenfalls den bekannten, schräg nach oben weisenden Flügel. Das Licht war zum Zug hin weiß und nach der anderen Seite rot. Es gab auch noch ein Langsamfahrtzeichen in Gestalt einer „Korbscheibe“ am Masten bzw. eines grünen Lichts bei Nacht. Ein schräg gestellter Arm hatte gegenüber dem herabhängenden einen entscheidenden Vorteil. Bei letzterem würde bei einem Schaden der Zugeinrichtung der Arm eines auf Halt gestellten Signals nach unten fallen, also freie Fahrt angeben. Ein schräg weisender Arm fiele ebenfalls in die untere, aber jetzt waagrechte Position und würde dann Halt signalisieren. Das wäre zwar ärgerlich aber ungefährlich.

Am 29. Juni haben in Berlin die Verhandlungen zur Vereinheitlichung stattgefunden. Für die Ostbahnen ergaben sich aus den Beschlüssen geringe Anpassungsprobleme außer einer kostenträchtigen Einführung von „Läutewerken“, gemeint waren wohl Läutebuden. Sie sind jedenfalls nicht mit den Glocken zu verwechseln, die in den Ostbahnbahnhöfen schon vorher anstelle der zuerst eingesetzten Hörner die Abfahrtssignale ertönen ließen.

Im September 1875, als nach der Verstaatlichung die Ostbahnverwaltung eine Abteilung der staatlichen Generaldirektion bildete, wird ein dreiflügeliger Perrontelegraph erwähnt, der in der Station Neukirchen für die drei Richtungen Hartmannshof Sulzbach und Großhalbershof aufgestellt worden ist21. Anfang 1876 stellte die Betriebsdirektion Regensburg den Antrag, im Bahnhof Regensburg fünf vierflügelige Semaphoren aufzustellen. Anlass war der im Westen und in einiger Entfernung vom Stationsgebäude eingerichtete neue Güterbahnhof und die erwartete Fertigstellung der Donautalbahn. Dadurch ergaben sich im Bahnhofsgelände diverse Kreuzungen zwischen Güter- und Personenzügen, weshalb man mit den neuen Signalen sowohl eine Ein- und Ausfahrt, als auch den Zugtyp ansprechen wollte.22

Bild Vierfachflügelsignal
Abb. 5. Vierfachflügelsignal mit Signalbedeutung für den Flügel rechts unten:
Oben: Gesperrt. Bei Nacht rothes Licht.
Mitte: Einfahrt fü Personenzug aus Eger gestattet. Bei Nacht grünes Licht.
Unten: Einfahrt für Güterzüge aus Eger gestattet. Bei Nacht weißes Licht.

Für die Ausfahrt in Richtung Eger war der Flügel unten links mit entsprechenden Stellungen vorgesehen. In dem letzten Schriftstück der Archivakte äußerte die Generaldirektion Bedenken gegen die Einführung neuer Signalbedeutungen und sprach sich für zusätzliche Übertragungssignale aus.23 Wenn der Fortgang der Angelegenheit im Dunklen bleibt so muss doch festgehalten werden, dass es in Regensburg vierflügelige Signale gegeben hat, wie es auch in einem Foto belegt ist. Auf Grund der Verhandlungen von 1874 zur Vereinheitlichung der Signale ergaben sich für die Ostbahnen geringe Anpassungs­probleme außer einer kostenträchtigen Einführung von „Läutewerken“, gemeint waren die Läutebuden. Sie sind nicht mit den Glocken zu verwechseln, die in den Ostbahnbahnhöfen schon vorher anstelle der zuerst eingesetzten Hörner die Abfahrtssignale ertönen ließen.24

Für die Weichensignale liegt eine Beschreibung im §14. der Dienstinstruktion für Weichenwärter von 1858 vor (> 3): „Die an den Weichenständern angebrachten Signal­stangen tragen eine runde Scheibe, auf deren Fläche Pfeile in weißer Farbe aufgetragen sind, und auf der Stange ist oben eine Laterne, deren spitz zulaufende Milchgläser bei Nacht als Pfeile dienen.“ Entsprechende Weichenhebel sind 1866 im Bahnhof von Eger fotografiert worden.

Bild Weichenstellhebel bei der nördlichen Ausfahrt der Station Eger, 1866
Abb. 6. Weichenstellhebel bei der nördlichen Ausfahrt der Station Eger, 1866

Die vorderste Weiche ist auf Abzweigung gestellt, der Ablenkpfeil ist sichtbar und ebenfalls die spitz zulaufende weiße Scheibe der Laterne. Die Weiche dahinter ist auf Geradeausfahrt gestellt. Die um 90° gedrehte Scheibe ist nicht sichtbar, aber im Bild gerade noch das schmale, rechteckige weiße Feld der Laterne.

Das DB Museum in Nürnberg besaß (ob noch?) einige Weichenhebel verschiedener Bahnen. Darunter eine Einrichtung der Ostbahnhebel für eine Dreifachweiche.

Bild Weichenstellhebel für eine Doppelweiche, BOB
Abb. 7. Weichenstellhebel für eine Doppelweiche, BOB, DB-Museum Nürnberg

Die grünen Hinweisbleche waren aus Platzgründen fahnenartig ausgeführt worden. Sehr gut sind die Milchgläser der geradeaus Stellung zu erkennen. Das Signal stammt wohl von Anfang der 70er Jahre, weil die Abzweiggläser inzwischen grün waren (s. u.). Auch im Depot des Deutschen Museums in München befinden sich Weichen Stellhebel der Ostbahnen.

Bild Weichenstellapparatur und Weichenlaterne der BOB
Abb. 8. Weichenstellapparatur.: l.: kompletter Hebelapparat, Ansicht: Abzweigung;
r.: Weichenlaterne in gleicher Ansicht. Dtsch. Museum, München, Aufn. J. Riedl

Das Gegengewicht trägt die erhaben gegossenen Kennzeichnungen „Späth“ und „B.O.B. 1857“. Laterne und Schild sind späteren Datums; letzteres stammt von der Staatsbahn. Die Aufnahme verdeutlicht die Ansicht bei Stellung der Weiche auf Abzweigung angezeigt mit Grün, was für Vorsicht, langsam fahren stand. Die Rückseite zeigt dasselbe grüne Bild, was für eine auf dem Hauptgleis in Richtung Einmündung fahrende Maschine Halt bedeuten musste. Bei der Weichenstellung für Fahrten im Hauptgleis hatten sich keine optischen Änderungen ergeben.

Die Weichensignale wurden 1874 von einer Vereinheitlichung ausgenommen, weil ihnen keine entscheidende Signalfunktion zugesprochen worden ist. Im Gleisgewirr großer Bahnhöfen war oft die Situation völlig unübersichtlich und die Weichensignale schienen überhaupt nur insoweit eine Rolle gespielt zu haben, als ein Lokomotivführer an ihnen erkennen konnte, dass er sich einer Weiche annäherte (> 21).

Langsamfahrtscheiben befanden sich ebenfalls im DB Museum in Nürnberg. Die Ostbahn war mit einem Beispiel für „Anfang“ vertreten. Die runde, gelöcherte Scheibe war rot eingefärbt, mit einem großen schwarzen „A“ versehen und für die Nacht konnte eine rot leuchtende Laterne angehängt werden.

Bild Langsamfahrtscheibe
Abb. 9. Langsamfahrtscheibe „Anfang“ DB Museum Nürnberg

Laut Beschriftung stammt das Signal von 1870. Mitte dieses Jahres waren aber die neuen Bestimmungen aufgekommen, laut derer jetzt das „Rot“ eindeutig für „Halt“ stand (s o.). Demnach war diese Farbe für „langsam weiterfahren“ nicht mehr möglich; Grün war eine adäquate Alternative gewesen. Dem entsprechend wurde in der oben zitierten Schrift des Reichs­eisenbahnamts eine „Korbscheibe“ aufgeführt - für Anfang: schwarzes „A“ Scheibe grün und für Ende: „E“ und weiß mit gleich farbigen Lichtern bei der Nacht.

In der Dienstinstruktion von 1858 sind bei Drehscheiben und Schiebebühnen keine Signale erwähnt worden. Diese besaßen demnach zumindest in den ersten Jahren keine besonderen Signaleinrichtungen.

Anmerkungen

* VDEB: Verband Deutscher Eisenbahnen

VAM = Verkehrsarchiv, München, Bayerisches Hauptstaatsarchiv

Literatur:

1: Der Bayerische Landbote, München, 1859, 35 No150, S. 1 12: VAM 1737, ---.01.1873
2: VAM 1042, ---.12.1864 13: VAM 1737, 01.10.1870
3: VAM 1026, ---.---.1858 14: VAM 1028, 19.11.1872
4: VAM 1737, 05.05.1867 15: VAM 1738, 27.08.1873
5: VAM 1737, 14.11.1868 16: VAM 1737, 19.11.1872
6: VAM 1737, 05.01.1869 17: VAM 1739, 13.04.1875
7: VAM 1737, 26.05.1868 18: VAM 1738, 28.11 1873
8: VAM 1737, ---.05.1870 19: VAM 1739, 14.06.1874
9: VAM 1700, 21.11.1858 20: VAM 1739, 17.09.1875
10: VAM 1737, 12.07.1870 21: VAM 1739, 03.07.1874
11: VAM 1737, 01.11.1872 22: VAM 1739, 04.02.1876
23: VAM 1739, 30.09.1876 24: VAM 1739, 03.07.1874