In seinem Buch „Geschichte der Eisenbahn-Bierwagen“ hat Lothar Spielhoff ein umfangreiches Material zu diesem Thema erschlossen.1 In diesem Artikel sollen auf der Basis von amtlichen Unterlagen die bayerischen Bierwagentypen mit speziellem Blick auf ihre konstruktive Entwicklung und die wechselseitigen Beziehungen zwischen den Einstellern und den Verkehrsbetrieben abgehandelt werden.
Die ersten zwei echten Bierwagen dieser früher in Bayern so stark vertretenen Gattung von Spezialwagen gelangten 1869 in den Bestand der Staatseisenbahnen auf Grund eines mit dem Brauereibesitzer Gabriel Sedlmayr, Spatenbräu in München, geschlossenen Vertrages.
Sedlmayr hatte 1832 zusammen mit dem Berufskollegen Dreher aus Schwechat bei Wien und zwei weiteren Brauern eine Studienreise nach England unternommen. Auf Grund seiner Erkenntnisse revolutionierte Sedlmayr das Brauereiwesen in Deutschland durch Einführung von Methoden, die eine höhere Bierqualität und eine bessere Ausnützung der Gerste ermöglichten.2 In den 60er Jahren unternahm er viele Versuche, Bier mit unterschiedlich präparierten Güterwagen zu versenden. 1880 hat er den Bayerischen Brauerbund gegründet und war jahrelang dessen Vorsitzender.
Die Generaldirektion der königlich bayerischen Verkehrsanstalten hat 1869 folgendes berichtet: „Der Bierbrauerei Besitzer Gabriel Sedlmayr dahier beantragte die Einrichtung eigener Biertransport Wagen für seine Biertransporte nach Paris und zwar in derselben Weise, wie sie die Dreher´sche Bierbrauerei in Schwechat (seit 1867, v. R.) besitzt und unter denselben Bedingungen“, wobei er die speziellen Einrichtungen selbst zu zahlen habe. Sie hätte daraufhin vier Bierwagen in Auftrag gegeben. Im Gegensatz zu den anderen deutschen Bahnverwaltungen gab es also in Bayern links und rechts des Rheins auch bahneigene Bierwagen.
Es ist nicht mit letzter Sicherheit festzustellen um welche Wagen es sich gehandelt hat, weil keine Angaben zu den ersten Mietverträgen gefunden werden konnten. Am ehesten kommen die Wagen der Bahnnummern 6673, 7935, 8234 und 8240 in Frage. Außerdem waren die Absprachen der Vertragspartner nicht eindeutig, denn „In Folge eines Mißverständnisses von Seiten des Bierbrauerei Besitzer Gabriel Sedlmayr hat derselbe auf eigene Rechnung 2 neue Biertransport Wagen in der Rathgeber´schen Fabrik herstellen lassen, welche nach vorheriger genauer Untersuchung zu den in Frage stehenden Biertransporten bereits mit gutem Erfolge verwendet wurden.“ 3 Es waren die Wagen Nr. 8359 und 8360 ohne ein Gattungszeichen. Vor allem aus der Firmenbeschriftung ging hervor, dass es sich um Spezialwagen für Biertransporte handelte.
Nach Aufklärung des Missverständnisses hat Sedlmayr um Übernahme der Wagen durch den Staat unter der Voraussetzung gebeten, dass er die Herstellungskosten der beiden Wagen von 5000fl (Gulden), abzüglich der Einrichtungskosten von 1791fl 36xr (Kreuzer), erstattet bekäme. In einer Randnotiz des oben erwähnten Berichtes findet sich die Genehmigung. Außerdem ist noch eine Rüge an die ausführende Verwaltung mit dem Tenor angefügt worden, dass solche Missverständnisse „künftighin vermieden werden.“ Zu jenen beiden Spezialwagen erhielt die Brauerei noch 4 weitere.
Von weiteren Bierwagen Interessenten sei der Brauer Ludwig Brey, Löwenbräu in München, herausgegriffen. Er untermauerte seinen Antrag auf Bierwagen mit Hinweisen auf die von ihm im Jahr 1870 nach Paris, der Schweiz und Südtirol versandten Biermengen in Höhe von bald 20.000 Eimern.4 Natürlich wurde das Bier überwiegend in Fässern oder auch in Flaschen verfrachtet. Bei der verwendeten Mengenangabe handelte es sich um ein altes Hohlmaß: ein bayrischer „Eimer“ entspricht 60 „Maaß“ * oder (60 x 1,069 l =) 64,142 „Liter“. Die Firma erhielt zunächst 5 Bierwagen zugeteilt.
Diese bahneigenen Bierwagen sind im Wege der „Aptirung“ bzw. Adaptierung entstanden, d.h. durch Umbau gedeckter Güterwagen der Serie „A“. Von den Längsträgern abgesehen bestanden ihre Untergestelle und Wagenkästen aus Holz, äußerlich erkennbar an der vertikalen Orientierung der äußeren Wandschalbretter. Die Bierwagen wurden 1870/71 in den Dienst gestellt. Sie hatten eine niedrigere Bahnnummer als die beiden ersten Bierwagen (s. o.) und stehen in den Verzeichnissen z.B. mit dem Baujahr 1865 oder 1867 z.B. angegeben. Das bezeichnet aber das Baujahr der ursprünglichen A-Wagen, deren Nummer nur unter Wegfall der Gattungsbezeichnung beibehalten worden ist.
Man kann wiederholt in der Literatur lesen, dieser Spezialwagen Typus wäre generell durch Umbau älterer Güterwagen entstanden, vielleicht abgeleitet aus der Anmerkung im Staatsbahnverzeichnis von 1877: „Eigenthum d .Sts.B. von den Bräuern eingerichtet sind alle zu Bierwagen umgebaute Güterwagen.“ Es handelt sich sicher nur um eine Überinterpretation des Behördenjargons, worauf z. B. das „Uebernahms-Certificat“ für die 10 „Eiswagen für Henninger“ hinweist; letzteres ein Gattungsbegriff, der ansonsten in keiner mir bekannten bayerischen amtlichen Unterlage auftaucht. Leider sind mir nur wenige Übernahme Bescheinigungen von bahneigenen Bierwagen bekannt geworden und keine einzige von privaten.
Transkription: „Auf Grund der vom <…> dahier vollzogene Prüfung wird hiemit bestätiget, daß das Etablissement <…> nachverzeichnete geschlossene Güterwagen ohne Bremsen nach Vorschrift und den Bedingungen entsprechend, in Ablieferung gebracht hat, nemlich: …“
Die Übernahe der 10 bahneigenen „Eiswagen“ bzw. Bierwagen ist hier zusammen mit 8 gewöhnlichen A-Wagen erfolgt, welche u. a. an ihrem geringeren Eigengewicht auszumachen sind. Alle 18 Wagen waren Neubauten des Jahres 1871. Bei der Deutung der Behördentexte ist zu berücksichtigen, dass die eigentlichen Wagen und deren speziellen Einrichtungen gesondert bearbeitet und abgerechnet worden sind (s. u.). Der Begriff „Aptirung“ hat lediglich die Umwandlung eines bahneigenen Wagens in ein Spezialfahrzeug bedeutet unabhängig vom Zeitpunkt der Erstlieferung bzw. des Einbaus der Sondereinrichtungen.
Die neuen Spezialwagen haben folgendes charakteristische Aussehen erhalten.
Standardmäßig betrug die Kastenlänge 7 und der Radstand 3,65 Meter. An die Stelle der Schiebetüren der A-Wagen sind die dichter schließenden Flügeltüren getreten versehen mit einer zusätzlichen Filzabdichtung. Bei der ersten Serie waren die Zugänge nur dreiviertel so hoch wie die Längswand, weil „durchgehende Eiskästen“ eingebaut waren; d. h. die Eiskästen zogen sich unter dem Dach an den Längswänden entlang wie man schon von außen an den Köpfen der Befestigungsbolzen für die Eiskastenträger sehen konnte (siehe Abb. 2. unter „N“ oder „z“ von „C.N.Kurz“). Auf dem Dach befand sich fast in der Mitte jeder Wagenhälfte eine Luke zum Eiseinfüllen. Es wird den Arbeitern viel Mühe bereitet haben, das Eis gleichmäßig in den langen, niedrigen Behältern zu verteilen. Das Schmelzwasser lief durch außen liegende Rohrleitungen ab (zur Isolierung s. u.). Der Transport in den speziellen Bierwagen kam die Besteller etwas teurer, weil auch für das beigeladene Eis Frachtgebühren zu entrichten waren. Dafür konnten sie sicher sein, ein Bier guter Qualität zu erhalten.
Das am stärksten auffallende Bierwagen Merkmal war wie auch bei den späteren Kühlwagen ihr weißer Anstrich. Nur ein kleiner Anteil des auftreffenden Sonnenlichts konnte sich in Wärme umwandeln, weil es von dieser Farbe zu einem großen Teil reflektiert wird. Der Schutzanstrich schloss sogar äußere Teile des Untergestells mit ein. Weiterhin trugen die Wagen neben den amtlichen Aufschriften die Firmenangabe und später auch auffallende Schutzmarken.
1873 kaufte die Brauerei Erich in Erlangen vier Privatbierwagen in einer leicht geänderten Bauform.
Im Gegensatz zu dieser Abbildung sind bei den Skizzen der älteren Wagen in der Regel keine Aufstiegstreppen zum Dach eingezeichnet worden, obwohl solche in den meisten anderen Fällen zumindest an einer Giebelseite vorhanden waren. Das lässt sich sogar den Frontalfotografien der Längsseiten entnehmen, auf denen zumindest die unterste Stufe zu sehen ist, selbst wenn die anderen aus perspektivischen Gründen verdeckt sind. An Laderampen war es oft praktischer, das Dach über angestellte Leitern zu besteigen.
Diese neuen, privat und bahnseitig beschafften Wagen besaßen einen bequemeren Zugang mit fast gleicher lichter Höhe wie die Längswände. Das war durch „seitliche Eiskästen“ bzw. durch Verlagerung der jetzt querliegenden Eiskästen an die Stirnwände ermöglicht worden. Deshalb sind auch die Eisladeluken fast an das Ende des Daches gerückt worden. Das Schmelzwasser wurde innen und durch den Fußboden ins Freie abgeleitet, wie es dem Grundriss zu entnehmen ist (Abb. 4. l. o.).
Wie auch schon beim ersten Typ wurden nur die Hohlräume zwischen den beiden äußeren Wandverschalungen mit Strohhäcksel ausgefüllt. Auch Dach und Boden waren mit zusätzlichen Bretterlagen versehen worden.
Zur Einstellung von Bierwagen in den Wagenpark der Staatsbahnen sei angemerkt, dass 1875 im Wege der Verstaatlichung 35 bahneigene und ein privater Bierwagen aus dem Fuhrpark der vormaligen bayerischen Ostbahnen übernommen wurden, auf die aber in einem besonderen Artikel über die Güterwagen der Ostbahnen eingegangen wird. Sie werden bei mir als Typ 3 geführt.
Es ist nicht einfach zu ermitteln, wie viele Bierwagen von den älteren Bauserien gefertigt worden sind, wofür es mehrere Gründe gibt.
Mit Erscheinen eines neuen Typs gab man, wenn die Brauer entsprechendes Interesse zeigten, den Weiterbau von älteren Bauformen nicht auf. Das Foto von dem Wagen der Schlossbrauerei Hohenaschau von 1878 zeigt niedrige Flügeltüren; den Verzeichnissen folgend war 1875 das letzte Baujahr dieses Typs.
Nach dem Wagenverzeichnis von 1877 gab es 64 Wagen des Typs 1, in dem von 1891 nur noch 14 Stück. Allerdings waren 12 neue dazugekommen (s.u.). Die fehlenden befanden sich jetzt unter den Wagen des Typs 2 eingeordnet, sie waren demnach umgebaut worden. Im Wagenverzeichnis von 1883 tauchten neun Wagen neu auf, die keine Eiskästen sondern nur einen doppelten Boden besaßen. Sieben von ihnen sind 1885 wieder als „Abgang“ aufgelistet worden. Die drei älteren von diesen liefen fortan als normale Güterwagen, sie hatten wohl noch Schiebetüren gehabt. Die restlichen tauchten bald wieder als Bierwagen des Typs 2 auf.
Vor Ende der 80er Jahre ist in den Wagenverzeichnissen nur eine Skizze unter Abb. Nr. „62“ stellvertretend für alle Bierwagen abgedruckt worden, aus der die Bauform der jüngeren Wagen nicht erschließbar ist. Lässt sich außerdem der erste Mietvertrag nicht mehr auffinden, dann ist das Jahr der Adaptierung nicht mehr festzustellen und kaum noch, ob sein aktueller Bauzustand durch Neubau oder durch Umbau entstanden war.
Weil sich nicht in jedem Fall die Einführung eines bahneigenen Wagentyps aus den Akten unmittelbar erschließen lässt, wird der Zeitpunkt ihres Neuerscheinens durch die umgebauten älteren Wagen völlig verschleiert. So stammen z. B. zwei Wagen des ab 1882 erschienenen Typs 4 aus dem Jahr 1871; sie waren durch Umbau aus Typ 1 entstanden.
Anfangs wurden alle Bierwagen ohne Bremseinrichtungen gebaut. So wurde noch 1884 berichtet, dass von den 466 Bierwagen fast alle ohne solche seien. Man hielt das inzwischen für ein Sicherheitsproblem bei „Zügen, die 10 – 12 und mehr Bierwagen enthalten“ 6 und erst recht bei reinen Bierzügen. Es wurde gefordert, dass künftig ein gewisser Prozentsatz der Wagen mit Bremsen zu versehen seien, was im Prinzip umgesetzt wurde. Trotzdem verschärfte sich das Problem am Ende dieses Jahrzehnts noch durch die stetig wachsenden Exporte und die Einstellung der Bierwagen in Personenzüge, besonders auf der häufig benützten Route nach Berlin: „In preußischen Staatsbahn-Wagen-Verbunde ist übereinstimmend mit den Vereinbarungen des deutschen Eisenbahn-Verkehrs-Verbundes die Bestimmung getroffen, daß jeder Privatwagen, der in Personenzügen laufen soll, unbedingt mit Bremse versehen sein sollte. Bezüglich der übrigen Wagen von weniger als 15000kg Ladefähigkeit ist zu beanspruchen, daß die Hälfte (…) der Wagen mit Bremsen versehen ist“ 7
Nebenbei erwähnt durften auf der Route nach Berlin die um 1880 eingeführten modernen „Laternenstützen“ nicht fehlen, besonders dann, wenn der Bierwagen am Zug Ende eingestellt werden sollte und es mussten ab 1887 die in Personenzügen eingestellten Bierwagen mit Ösen für seitliche „Interkommunikationsleinen“ versehen sein.8, 9
Der billigste und schnellste Weg zur Einrichtung einer Bremsanlage war es vorhandene Wagen umzurüsten.
Insgesamt erhielten 81 bahneigene und 9 private Wagen beider Wagentypen eine Bremsanlage, von weitem erkennbar an dem Kutschbock artigen „Freisitz“ Ein Teil der Wagen hat diese einfache Bremsanlage nicht nachträglich sondern zugleich mit der Aptierung erhalten.
1882/83 erschienen drei Wagen, die von vornherein eine den gewöhnlichen Güterwagen gleichende Bremsanlage erhalten haben. Es muss auf die Abbildung 10 verwiesen werden, weil keine Darstellung der Ursprungsversion gefunden werden konnte. Die Bedienung der Bremsen erfolgte über eine Bremsspindel von einem „Plateau“ (Bremserbühne) aus, das wie bei den A-Wagen durch entsprechende Verlängerung des Untergestells gewonnen worden ist.
1883/84 bzw. 1885 erschienen zwei weitere Wagentypen, allerdings nur als Privatwagen.
Das abgebildete Modell ist leider falsch beschriftet, weil der Salvator Wagen dieser Nummer erst 1887 gebaut worden ist und einer modifizierten Bauform angehört (s. u.). Zuerst wurden 31 Wagen des ungebremsten Typs geliefert, 21 davon allein für Spatenbräu. Im Unterschied zum Typ 2 besaßen die Wagen einen Oberlicht artigen Dachaufsatz, in dem verhältnismäßig große Eisbehälter untergebracht waren. Ein einziger Wagen war bahneigen, entstanden durch Umbau aus Typ 2. Bevor auf den gebremsten Typ eingegangen wird, soll ein konstruktives Problem behandelt werden.
Besonders im Sommer schlägt sich bei warmer, feuchter Luft innen an den kühlen Wagenwänden Kondenswasser nieder. Weil anfangs auch alle tragenden Elemente aus Holz bestanden, drohte durch Fäulnisprozesse, abgesehen von einem erhöhten Erhaltungsaufwand, die Gefahr einer Beeinträchtigung der Stabilität der Wagen.
1882 wurde eine eigene „Entschließung“ bzw. Verordnung erlassen, „daß die Thüren der Bierwagen sofort nach Entladung behufs Lüftung und Austrocknung zu öffnen“ damit die Wagenwände möglichst schnell wieder abtrocknen können. Die Bedeutung dessen wurde durch den Zusatz unterstrichen „Die Lüftung der Bierwagen ist strengstens zu überwachen.“ Damit die Türflügel garantiert offen stehen blieben, mussten alsbald zu ihrer Arretierung außen an den Wagenwänden Riegel angebracht werden, die zwischen Türblatt und Griffstange eingeschoben wurden.10
Um die Wagen auf Dauer widerstandsfähiger zu machen wurde Ende 1884 die Anordnung getroffen, dass die Wagenfabrikanten „der durch die Eispackung u. sonstige üblen Einflüsse herbeigeführten raschen Zerstörbarkeit halber alle nur irgend entfernbare Holztheile durch Eisenconstruktion ersetzen müssen“,11 d. h. neben dem Untergestell bestand auch das Kastengerüst aus Eisenprofilen, in welche die äußeren Wandbretter horizontal eingelegt waren und die inneren zur besseren Versteifung diagonal. Die ersten Wagen in dieser Ausführung waren solche des Typs 6. Die älteren Typen 2, 4 und 5 wurden weitergebaut, allerdings auch in dieser neuen Technik, und die beiden jüngeren von ihnen erhielten wie Typ 6 einen Radstand von 4,00 m.
Der neue Wagen bot prinzipiell nichts Neues wenn man ihn als eine Kombination aus Typ 4 und 5 mit Eisengerüst auffasst.
Auch die älteren Bierwagentypen wurden in der modernen Konstruktion weitergebaut. Der Bierwagen des Typs 2 in Holz- bzw. Metallbauweise war der meist gebaute bayerische Bierwagen des 19ten Jahrhunderts. 486 Exemplare konnten von mir erfasst werden wozu noch mindestens 53 durch Umbau aus Typ 1 entstandene dazu kommen.
Die Beschriftung des Modells ist hervorragend. Sogar das Revisionsdatum ist korrekt, wenn man berücksichtigt, das der Wagen zwar 1887 gebaut worden ist aber vor 1890 einer anderen Firma, nämlich der Brauerei Hohenlohe gehört hat.
Dass von dem ursprünglichen Wagen mit Holzgerüst keine Abbildungen gefunden werden konnten mag daran liegen, dass es nur drei Exemplare von ihm gegeben hat.
Ob die Beschriftung korrekt ist und der Wagen noch die DB Zeit erlebt hat konnte nicht festgestellt werden. Vor 1915 hat die Brauerei Lederer keinen solchen Wagen besessen.
Die erste Hälfte der 80er Jahre brachte neben mehreren Neuerungen im Wagenbau auch eine Reihe von Umwälzungen vertraglicher Art mit sich, weil in dieser Phase die Anzahl an Bierwagen schnell zunahm; 76 Stück zählte man Ende 1873, 149 Mitte 1880 und 655 Ende 1885 oder mit einem anderen Zahlenbeispiel illustriert: 1884 sind 79 Bierwagen in Dienst gestellt worden, 1885 sogar 133 Stück.12 Allein 17 Münchener Brauereien waren 1885 im Besitz eines Vertrages, darunter auch heute weniger bekannte wie z. B. zum bayer. Löwen, Eberlbräu, Kils´ Kolosseum, Münchener Bräuhaus, Münchener Kindl, Praterbräu oder auch Brauerei zur Schwaige.
Die Bahnverwaltung sah kaum noch eine Möglichkeit infolge der wachsenden Anzahl von Adaptierungen über ausreichend Rollmaterial für den allgemeinen Bedarf verfügen zu können. Die Gesamtzahl an Neuwagen wurde durch die Etatvorgaben begrenzt. Dazu kam, dass einige Brauer unnötig viele Wagen bestellt hatten, so dass sie ihre vertraglich festgelegten Laufleistungen nicht einhalten konnten. Die Generaldirektion sah sich gezwungen dem gegenzusteuern, ohne die wirtschaftliche Entwicklung selbst zu bremsen. Letzteres war entscheidend um die Bedeutung des Bieres als wichtigstes bayerisches Exportgut aufrecht zu erhalten bzw. noch zu fördern, hatte doch immerhin die Gesamtheit der bayerischen Bierwagen 1883 fast 4.900.000 km auf inländischen Strecken aber fast 6.500.000 km auf außerbayerischen zurückgelegt.13 Wie man den Bestandszahlen im vorigen Absatz entnehmen kann, ist das durchaus gelungen.
Ende 1880 erließ die Generaldirektion die Verfügung, „daß Güterwagen der betreffenden Serie A an die Brauer behufs Aptirung nicht mehr abgegeben werden dürfen.“14 Zur Vermeidung von Härten wurde vier Monate später in einem „Dienstbefehl“ „widerruflich“ erlaubt, „daß die Eisbeiladungen beim Bierversand auch in gewöhnlichen Güterwagen wieder stattfinden darf.“ 15 Widerruflich deshalb, weil es beabsichtigt war neue Vergaberegeln aufzustellen, die dem Engpass abhelfen sollten. Tatsächlich wurden fast gleichzeitig dem bayerischen Brauerbund neue Vertragsformulare zugestellt, deren Bedingungen lebhafte Proteste seitens der Brauer auslösten.
Die Diskussionen zogen sich bis 1885 hin. In einem Bericht der Generaldirektion an das Ministerium von 1883 findet sich ein erster Hinweis auf die wichtigste Neuerung; „daß Bräuer, welche um Bierwagen nachsuchen auf ärarische (= Staats-) Kosten gebaute nur dann erhalten, wenn sie theilweise solche auf eigene Kosten herstellen lassen“;16 oder anders ausgedrückt: einem Brauer wurden maximal nur so viele „aptirte“ Bierwagen vermietet, wie er an „privateigenen“ besaß. Wollte er weitere bahneigene Wagen mieten, musste er mindestens die gleiche Anzahl privateigener Wagen zukaufen. Ausgenommen davon waren kleinere Brauereien bis zu einem Bestand von drei bahneigenen Wagen.17 (s.o.) Die Folge war eine schnelle Änderung des Verhältnisses bahneigener / privater Bierwagen: 1883: 273 / 100; 1884: 293 / 159 und 1885: 315 / 270 Stück.18 oder vereinfacht ausgedrückt von rund 2,7:1 auf 2:1 und schließlich auf 1,2:1. Das Verhältnis hatte sich später sogar umgekehrt; 1914 hatten 71 bayerische Brauereien 612 bahneigene und 835 private Bierwagen im Einsatz.19
Für die bahneigenen Wagen wurde eine Mindestbeladung von 50% des angeschriebenen Ladegewichts bzw. von mindestens 2000 kg im Lokalverkehr und eine Mindestlaufzeit von 2000 km pro Monat verlangt (früher 1000 km). Bei Nichterfüllung wurde eine Konventionalstrafe erhoben, deren Höhe von der Anzahl zu wenig gefahrener Kilometer abhing. Für private Bierwagen musste eine Standgebühr entrichtet werden wenn sie mehr als 14 Tage stillstanden und jene konnten sogar auf eine andere Station verlegt werden. Wurde die verlangte Laufleistung von 2500 km pro 3 Monaten nicht erreicht, behielt sich die Generaldirektion einen Rücktritt vom Vertrag vor.
Eine andere Neuerung sorgte ebenfalls für Widerspruch. Nach den alten bzw. vor 1885 abgeschlossenen Verträgen wurde eine Benützung der Privatwagen auf den Rücktouren durch fremde Bahnverwaltungen den Eignern vergütet. Diese Gelder sollten nun dem Aerar (Staatshaushalt) gutgeschrieben werden und damit entfiel für die Brauereien eine Möglichkeit, das eingesetzte Betriebskapital zu amortisieren. Die Bahnverwaltung sah sich zu dem Vorgehen wegen best. Unsicherheiten bei diesen Einnahmen veranlasst, weil z. B. die italienischen und französischen Bahnen bei Spezialwagen eine Bezahlung entsprechender Vergütungen verweigerten und sich dabei auf das 1884 in Luzern abgeschossenes Wagenregulativ (Gebührenabkommen) beriefen.20
Bei den Vertragsänderungen hatte die Generaldirektion allerdings ein Problem; die alten Verträge haben keine Kündigungsklausel enthalten. Besonders Löwenbräu, die bedeutendste Brauerei, stemmte sich gegen die geforderte Änderung und sie sprach sogar von einer „Vergewaltigung der Industriellen“.21 Nach Meinung der Generaldirektion hätte Löwenbräu bei ihrer größeren Anzahl von Wagen mit alten Verträgen ungerechtfertigt große Vorteile gegenüber anderen Brauereien mit neuen Verträgen und sie wollte nur die Wagen mit neuen Verträgen in die Berechnung der Zuteilung von bahneigenen Wagen einfließen lassen. Sie wollte außerdem die Brauereien unter Druck setzen, indem sie neue bahneigene Wagen überhaupt nur dann bewilligt bekämen, wenn sie die alten Verträge durch neue ersetzen ließen.22 Von den 54 Privatwagen der Firma Löwenbräu liefen 10 unter den alten Verträgen, dazu kamen 42 bahneigene Wagen. Die Brauerei hätte nach den alten Bestimmungen 12 bahneigene beanspruchen können. Genehmigt wurden von den 10 beantragten Wagen nur zwei gemäß des neuen Berechnungsmodus: 54 – 10 = 44; die Differenz auf 42 = 2. Dabei wollte Löwenbräu im äußersten Fall freiwillig von den eigenen Forderungen heruntergehen um unter Zukauf von zwei privaten wenigstens 4 bahneigene Bierwagen zu erhalten. Dieses Begehren ist möglicherweise an der Weigerung einer Umwandlung der alten Verträge gescheitert.
Übrigens hatte sich bei der Anschaffung von privaten Bierwagen die Bahnverwaltung in den Benützungs-Verträgen das Bestellungsrecht vorbehalten und eine Übernahme abgelehnt, falls die Brauer die Wagen ohne ihre Einschaltung gekauft hatten.23 Damit war gesichert, dass best. Konstruktionsvorgaben eingehalten wurden und wie bei dem übrigen Rollmaterial die Anfertigung der Bierwagen nach einem best. Schlüssel auf bayerische Fabriken, in der Hauptsache MAN und Rathgeber, verteilt werden konnte.
Eine 1880 erfolgte Änderung der Tarifbedingungen, um wieder auf konstruktive Aspekte zurückzukommen, war erfreulicherer Natur. Den Brauern wurde zugestanden, dass die Eiszuladungen nicht mehr dem Ladegut zugerechnet sondern gebührenfrei mitbefördert würden. Allerdings hatte es keinen Sinn, deshalb mehr Eis mitzunehmen, weil das Gesamtladegewicht von 200 Zollzentnern (= 10000 kg bzw. 10 t) nicht überschritten werden durfte. Die Sondereinrichtungen der ersten Bierwagen brachten ohne das Eis nach dem oben gezeigtem Zertifikat zusätzliche 45 Zentner auf die Waage. Ein durchschnittlicher Bierwagen war bei voller Eisfüllung für den Transport von rund 160 Zentner Bier einschließlich der Gebinde eingerichtet.24 Besonders bei den Privatbierwagen des Typs 6 mit Eisenkonstruktion und Dachaufsätzen, enthaltend die größeren Eisbehälter wurde in mehreren Fällen eine Überschreitung der zulässigen Beladungsgrenze festgestellt.25
Um das effektive Transportgewicht zu erhöhen gab es verschiedene Möglichkeiten. Die eine bestand darin, das Eisgewicht klein zu halten indem man von vornherein kleinere Eisbehälter einbaut hat oder nur einen einzigen oder überhaupt keinen, was im Lokalverkehr eher vertretbar war. So gab es in dieser Hinsicht die unterschiedlichsten Ausführungen der Innenräume.
Eine andere war es, die Tragfähigkeit der Wagen durch Einbau verstärkter Federn, indem z. B. das das zweite Blatt verdoppelt wurde, und durch Unterstellen von Rädern mit Gussstahlachsen (bayer. Normalachsen 39, Raddurchmesser 989 mm) zu erhöhen – ab 1881. Zum kenntlich machen mussten die Stahlachsen zwischen den Radnaben statt mit grauer mit roter Mennigefarbe gestrichen werden.26 Die Kosten für diesen Umbau wurde bei bahneigenen Wagen vom Staat übernommen.
Für die umgerüsteten Wagen galt ein Ladegewicht von 10000 kg und eine höchst zulässige Tragfähigkeit von 11000 kg.27 Diese aus tariflichen Gründen erlassene Gewichtsbegrenzung war 1892 weggefallen, vielleicht auf Grund geänderter Tarifbestimmungen und so konnte das Ladegewicht auf 15000 kg und die Tragfähigkeit auf 15750 kg festgesetzt werden.28 Solche Bierwagen findet man in den Verzeichnissen unter der Rubrik Wagen mit „15 t“ Ladegewicht. Es war bei gewöhnlichen Güterwagen erlaubt, um bis zu 5% über das angeschriebene Ladegewicht hinaus zu beladen. Das galt nicht unbedingt bei den Bierwagen, bei denen der 5% Aufschlag bereits durch die Eis Zuladung aufgezehrt wurde, so dass man hier auch gleich große Lade- und Tragfähigkeit bei den amtlichen Anschriften finden konnte.
Ende 1884 war bestimmt worden, die bisherigen Achsen bei den älteren Bierwagen zu entfernen und „behufs Erzielung einer einheitlichen Construktion“ durch Ostbahnachsen (Staatsbahn No 24) zu ersetzen. Es musste jedes Mal überprüft werden, ob die Räder nicht am Kastenboden schleifen, weil der Laufraddurchmesser der Ostbahnräder 42 mm größer war (1027mm). Zugleich sollten die bisherigen 76 mm breiten Blattfedern durch solche von 96 mm Breite ersetzt werden.29 Nur vier Jahre später hieß es, dass alle Ostbahnachsen durch bayerische Normalachsen No 38 (1005mm Ø) ersetzt werden müssen.30 Mit dieser Maßnahme war jedenfalls das Schleifproblem beseitigt.
Von einem vergleichsweise geringeren Effekt war eine Auswechslung des Isolationsmaterials Stroh durch Kork. Wegen der größeren Feuergefährlichkeit und des relativ hohen Gewichts der Strohmatten wurde 1895 ihr weiterer Einbau sogar untersagt.31 Tucherbräu in Nürnberg hatte 1894 die Erlaubnis erhalten 10 Wagen umzurüsten. Die ersten beiden Wagen erhielten eine Füllung von „Korksteinmasse“ mit dem Ergebnis, dass ihre Tragfähigkeit nach Zuladung der üblichen Mengen deutlich über dem Erlaubten lag. Deshalb wurde deren Ladegewicht auf 9000 kg heruntergesetzt und die Genehmigung zur Umrüstung der restlichen 8 Wagen zurückgezogen.32 Es wurde festgelegt, dass das spezifische Gewicht der Korkeinlagen 0,15 nicht übersteigen darf.33
Die älteren Bierwagen der Typen 2 - 6 wurden bis 1891 gebaut. In demselben Jahr erschien eine kleine Serie von 7 gebremsten privaten Bierwagen mit einem auf 7,30m verlängerten Wagenkasten anstelle des bisherigen Standardmaßes von 7,00m. 1889 sind 20 dieser neuen Wagen genehmig worden, 10 davon ohne Bremsen. Die drei angeschriebenen Fabriken Rathgeber, MAN und Ludwigshafen hatten preislich gleich lautende Angebote unterbreitet.34 Wie die Aufträge verteilt worden sind und warum nur sieben gebremste in den Verzeichnissen zu ermitteln sind konnte nachträglich nicht geklärt werden. Möglich ist, dass die vermissten Wagen etwas später erschienen und konstruktiv aktualisiert unter die folgenden Serien eingereiht worden sind.
Sie besaßen als erste Bierwagen ein Bremserhaus und glichen dadurch den A-Wagen der 80er Jahre, wenn man von den speziellen Einrichtungen absieht. Es gab auch Wagen mit Doppelflügeltüren, wie einer im Hof der Ersten Kulmbacher Brauerei abgebildet ist – 2. Wagen in der 2. Reihe von links. Die Kulmbacher Brauereien haben größere Gebinde verwendet, weshalb für sie besonders breite Zugangsmöglichkeiten zum Laderaum wichtig waren.
1892 folgten mehrere einander ähnelnde neu gestaltete Bierwagen, erkennbar an dem aktuellen, höher gewölbten Bremserhausdach und den stark gespreizten Achshalter Schrägstreben um zwei Merkmale zu nennen. Ab jetzt waren alle Bierwagen von vornherein für ein Ladegewicht von 15t eingerichtet.
Bezeichnend ist, dass von den fünf 1892 gelieferten Wagen vier an Kulmbacher Brauereien abgegeben worden sind. Der Abbildung kann man entnehmen, dass ein Teil der Wagen Laufbretter besaß. Dazu kamen Westinghouse Bremsen oder durchlaufende Heizleitungen, eine wichtige Bedingung für die Einstellung in Personenzüge. Viele Wagen waren auch mit Heizeinrichtungen versehen (Wobbe-Gasbrenner oder die für kürzere Einsätze geeignete Presskohlenheizung), um im Winter ein Einfrieren des Ladeguts zu verhindern.
Diese ausschließlich bahneigenen Bierwagen hatten Schiebetüren wie die gewöhnlichen Güterwagen und keine Eiseinrichtungen. Im Verzeichnis von 1913 sind die Typen 8 und 9 unter der Abbildung 420 zusammengefasst worden, weshalb es kaum noch möglich ist, aus dieser Quelle Rückschlüsse auf das genaue Aussehen der nach 1897 erschienenen Bierwagen zu ziehen.
Hackerbräu besaß einen solchen im Jahr 1901 gebauten Wagen, dieser trug aber die Nummer 601813; auch besitzt das Modell fälschlich die älteren Achshalterstreben. Von den 30 gelieferten Privatwagen waren zwei ohne Bremse und ein anderer ohne Eiseinrichtung. Auch hier gab es teils ein-, teils zweiflüglige Türen.
Das Bürgerliche Brauhaus in München kaufte 1892 zwei Wagen mit Bremserhaus, die sich von allen anderen Bierwagen durch ihren kurzen Kasten von 4,35m Länge unterschieden. Es waren die ersten einer kleinen Serie mit dem Radstand von 3,00m.
Das Verzeichnis von 1897 enthält zwei Abbildungen; die sich nur im Vorhandensein bzw. Fehlen von Laufbrettern und Haltestangen unterscheiden. Den Skizzen nach handelte es sich um Wagen mit Holzgerüst und senkrechten Außenwandlatten. Als Anmerkung steht aber, dass alle Wagen ein eisernes Kastengerüst besessen hätten. Bis 1896 folgten weitere 10 Wagen dieses Typs, der letzte davon mit den Laufbrettern.
1897 bis 1898 sind 10 ungebremste Wagen durch Umbau aus älteren Typen dazu gekommen, mit einem etwa um 0,30 m längeren Kasten gegenüber den gebremsten Geschwistern. Nur die ersten 5 entstammten Wagen mit einem hölzernen Kastengerüst. Aber im Verzeichnis von 1913 steht ausdrücklich vermerkt, dass nur ein Wagen der insgesamt 27 Exemplare ein „hölzernes Kastengerippe“ habe, nämlich einer von den fünf im Jahr 1902 gebauten Wagen mit Bremserhaus. Letzterer könnte durch Umbau entstanden sein, was aber wiederum nur für einen ungebremsten angegeben worden ist. Leider sind mir keine Abbildung von Wagens mit eisernem Gerüst bekannt geworden, die die verwirrende Situation hätten klären können.
Schließlich soll auf den Aspekt Wartung und Reparaturen eingegangen werden. Die Privatwagen unterlagen den gleichen Revisionsbestimmungen wie die staatseigenen. Sie waren „alle 2 Jahre zu heben und zu revidiren“, wofür die Kosten je nach Vertrag den Eigentümern in Rechnung gestellt wurden (s. u.).35 Weil die Bierwagen im Sommer am meisten benötigt wurden, wurde 1884 den Brauern zugebilligt, dass die Revision hauptsächlich im Winterhalbjahr erfolgte.36 Fünf Jahre später wurde diese Regelung wieder aufgehoben, weil die Bahn wegen der stark gestiegenen Zahl von Bierwagen Probleme mit dem enggefassten Bearbeitungsraster bekam und, aus welchen Gründen auch immer der Meinung war, dass „ein Unterschied zwischen Sommer- und Wintertransport eigentlich nicht mehr besteht.“ 37
Bei den bahneigenen Wagen mussten die Mieter die Wartungskosten aller Sondereinrichtungen bezahlen unter Einschluss der zusätzlichen Verschalung von Wänden und Boden und dem Isolationsmaterial.38 Es sollte nach jeder Be- und Entladung festgehalten werden, ob irgendwelche Schäden aufgetreten sind, damit man ggf. eine fremde Bahnverwaltung zum Kostenersatz heranziehen könne. Die Generaldirektion rügte, dass die Böden oft dadurch in Mitleidenschaft gezogen werden, indem die Fässer auf sie herab geworfen würden. Auch bei unvorsichtigem Einfüllen des Eises seien sehr oft die Dächer beschädigt worden. Man verlangte scharfe Kontrollen besonders für die auf Amortisation angeschafften privaten Bierwagen, bei denen vertragsmäßig die Bahnverwaltung für die Wartungskosten aufkommen musste.39 Eine Beschädigung ganz besonderer Art haben sich Löwenbräu und Pschorr nach Meinung des Oberbahnamtes München geleistet. Diese hatten, wohl um die Wärmeisolation zu verbessern, die Dächer ihrer Bierwagen mit einem Überzug aus gelöschtem Kalk versehen, der bei Regen schnell abgewaschen wurde, die Wände herunter lief und Verätzungen hervorrief. Diese Verfahrensweise wurde ihnen untersagt.40
1885 musste die Generaldirektion ausdrücklich klarstellen, dass sie bei den bahneigenen Bierwagen nur für den Grundanstrich und die Firmenbezeichnung zuständig sei. Inzwischen hatten nämlich „die Biertransportwagen eine äußerst complizirte und kostspielige Firmenbezeichnung erhalten, indem zur Reclame an den Seitenwänden förmliche Gemälde von nicht geringen Dimensionen angebracht wurden, deren Wiederherstellung bei Erneuerung des Wagenanstriches unverhältmäßige Zeit und Kosten bereitet.“ 41 Es wurde der Vorschlag gemacht, das Firmenlogo auf besonderen Tafeln aufzubringen, die zudem widerstandsfähiger seien (> Abb. 13.). Neben der großen Zahl bayerischer Bierwagen hat sicherlich auch ihre auffallende Gestaltung zu dem hohen Bekanntheitsgrad des bayerischen Bieres beigetragen und jene Schilder haben besonders im Ausland ihre „illegalen Liebhaber“ gefunden.42 Nicht zu kostenpflichtigen Wartungen gehörte das Abschmieren der Wagen.
Nach der Jahrhundertwende entstand ein neuer Zwist. 1912 wurde berichtet, dass die Bahn die Reparatur der Wagen derjenigen Firmen verweigert, welche die bisher angefallenen Reparaturkosten nicht bezahlt haben.43 Kurz darauf ist die Rede von 20 Brauereien, gegen die Schadensersatzklagen wegen ausständiger Zahlungen in Höhe von insgesamt 210.000.- Mark erhoben worden sind.44 Die Höhe der Kostenerstattungen waren nicht allein entscheidend, obwohl sie mit 182,94 Mark für bahneigene und 165,59 M für private Bierwagen etwas über dem Niveau der im Staatswagenverband geforderten 150 M lagen. Der höhere Betrag für die gemieteten Wagen erklärt sich aus der Feststellung der Bahnverwaltung, dass die aptierten Wagen durchschnittlich älter seien. Wesentlicher Streitgrund war die neu eingeführte Pauschalierung der Kosten. Als Konsequenz daraus ergab sich für die Brauer das Problem dass sie nicht mehr erkennen konnten, ob die berechneten Reparaturen im vorgenommenen Umfang bzw. überhaupt notwendig und somit gerechtfertigt waren. Im Verkehrsministerialblatt No. 35 von 1914 ist der neue Wartungsvertrag abgedruckt, mitsamt den 48 Brauereien von 71, die den Vertrag unterschrieben hatten. Der § 6 Abs. 6 enthält eine nach modernem Verständnis problematische Fassung in Sinne eines Knebelungsvertrags: „Bei Meinungsverschiedenheiten zwischen den Wageneinstellern und den Werkstätten der Eisenbahnverwaltung entscheidet die Eisenbahndirektion München endgültig und unter Ausschluß des Rechtsweges.“ Ein Jahr später wurden Reparaturkosten Anteile für die Monate August und September 1914 rückerstattet, wenn die Wagen, sicher im Zusammenhang mit dem Kriegsgeschehen, anderweitig verwendet worden sind. Außerdem mussten bereits jetzt schon einige Wagen, die im Ausland verblieben sind, aus dem Bestand gelöscht werden.45
Im Verlauf des Krieges verschlimmerte sich die Situation durch eine allgemeine Teuerung. Die Bahn wollte die Kostenpauschale verdoppeln. Dagegen protestierten die Brauer und schlugen vor, nur noch das „unumgänglich Notwendige mit den einfachsten Mitteln auszuführen.“ Sie bezweifelten auch, ob unter diesen Verhältnissen ein Pauschal-Vertrag noch sinnvoll sei.46
Durch die Wirren infolge des verlorenen Krieges wurde alles noch verschlimmert, so dass der Brauer Sedlmayr (Junior) feststellen musste: „Schon seit geraumer Zeit bietet mir der Zustand meiner Bierspezialwagen keine Befriedigung mehr. Die weiße Farbe ist vollständig verschwunden, die Schrift ist bei einer Reihe von Wagen selbst bei nicht zu großer Entfernung kaum lesbar.“ 47
Das Kapitel bayerischer Bierwagen soll mit zwei besonderen privateigenen Bierwagen der Brauerei Löwenbräu von 1914 abgeschlossen werden, die von Gotha geliefert worden sind.
Es handelte sich um Wagen, die für den Bierexport nach Frankreich und Spanien vorgesehen waren. Sie besaßen alle notwendigen Signalstützen und die Möglichkeit, die Radsätze für die spanische Breitspur auszuwechseln. Interessant ist, dass wieder einmal die Eisbehälter in einem Dachaufsatz untergebracht waren. Sie konnten dadurch recht groß gehalten werden und viel Eis aufzunehmen, was bei der langen Reise sehr von Nutzen war.
Schlussendlich soll eine Mitteilung von 1919 als Symbol für den Ausklang der bayerischen Bierwagen Epoche stehen indem sie zeigt, dass an den beiden zitierten privaten Bierwagen wie auch bei den beiden oberen nur noch die amtlichen Aufschriften bayerischen Ursprungs waren: „wegen Übernahme von 2 Bierwagen, vorher Altona 600038 u. 600039 von der Eisenbahn-Verkehrsmittel AG, Berlin, angemietet durch Schlossbrauerei Planegg, 601453 u. 601454.“ 48
* Man beachte die damalige Schreibweise. Daraus lässt sich eine gedehnte Aussprache ableiten, wohingegen das entsprechende, inzwischen leider auf Liternorm umgeeichte Biergefäß, in Bayern kurz ausgesprochen wird.
** Die hier gebotene Durchnummerierung der Typen ist keine amtliche sondern eine von mir aus Gründen der Übersichtlichkeit gewählte.
Quellenachweis:
VAN = Verkehrsarchiv, Nürnberg, DB-Museum
Literatur:
1: Spielhoff, Geschichte der Eisenbahn-Bierwagen, EK-Verlag, Freiburg 2000 | 25: VAM 38096, 13.07.1890 |
2: Struve, Emil: Die Entwicklung des bayerischen Braugewerbes im 19. Jahrhundert, Leipzig 1893 | 26: VAM 38096, 11.05.1881 |
3: VAM 6880, 04.10.1869 | 27: VAM 38096, 02.11.1881 |
4: VAM 6880, 18.06.1870 | 28: VAM 38096, 05.07.1892 |
5: VAM 32047, 18.10.1871 | 29: VAM 38096, 24.12.1884 |
6: VAM 6044, 23.12.1884 | 30: VAM 38096, 20.11.1888 |
7: VAM 37639, 12.12.1892 | 31: VAM 38096, 10.03.1895 |
8: VAM 38096, 01.12.1887 | 32: VAM 38096, 14.01.1895 |
9: VAM 37639, 26.07.1885 | 33: VAM 38096, 26.04.1895 |
10: VAM 38096, 01.06.1882 | 34: VAM 6046, 05.03.1889 |
11: VAM 6044, 19.10.1884 | 35: VAM 37639, 26.02.1875 |
12: VAM 6045, 10.04.1886 | 36: VAM 37639, 19.09.1884 |
13: VAM 6044, 30.12.1884 | 37: VAM 37639, 18.10.1889 |
14: VAM 38096, 19.12.1880 | 38: VAM 37639, 05.06.1882 |
15: VAM 38096, 27.04.1881 | 39: VAM 38096, 28.07.1892 |
16: VAM 6044, 23.08.1883 | 40: VAM 37639, 26.07.1889 |
17: = 13 | 41: VAM 38096, 21.03.1885 |
18: = 12 | 42: VAM 37639, 22.05.1895 |
19: VAM 9674, 06.07.1914 | 43: VAM 11009, ---.---.1912 |
20: = 13 | 44: VAM 9674, 17.02.1913 |
21: VAM 6046, 31.07.1890 | 45: VAM 9674, 02.01.1915 |
22: VAM 6046, 23.05.1990 | 46: VAM 9674, 17.12.1917 |
23: VAM 38096, 07.04.1883 | 47: VAM 9674, 12.09.1919 |
24: VAM 38096, 12.08.1880 | 48: VAM 9674, 10.10.1919 |