Auch wenn die heutigen Bahnanlagen netzweit immer weiter eine einheitliche, bisweilen gar als eintönig bezeichnete, Gestalt annehmen, sind mitunter doch noch interessante Details zu entdecken. Oft nicht durch den Bahnbetrieb selbst veranlasst, kann es so vorkommen, dass über die Jahre in Vergessenheit geratene und nun einer vergangenen Technikära zuzuordnende Objekte wieder zum Vorschein kommen.
Im Rahmen der städtischen Entwicklungsmaßnahme Hauptbahnhof-Laim-Pasing (HLP) der Landeshauptstadt München kommt es zur Überplanung von vormals durch die Bahn bzw. den Eisenbahnbetrieb belegten Flächen nördlich und südlich der Streckengleise zwischen der Betriebsstelle München Hbf und der Betriebsstelle München-Pasing. Einem städtebaulichen und landschaftsplanerischen Rahmenkonzept, beschlossen vom Stadtrat der LH München im Jahr 1997, folgen in den Jahren 1998 mit einer Gesamtkonzeption und 1999 als vertiefende Überarbeitung weitere Stufen von europaweit ausgeschriebenen städtebaulichen und landschaftsplanerischen Ideenwettbewerben [001, Seite 4].
Betroffen sind von der Überplanung dieser auch als "Zentrale Bahnflächen" zusammenfassend bezeichneten Bereiche, für die innerhalb der Verwaltung der LH München als Teil des Referats für Stadtplanung und Bauordnung mit der Projektgruppe HA I/4 HLP aufgrund des Arbeitsvolumens gar eine eigene Organisationseinheit betraut ist, u.a. der bisherige Containerbahnhof südlich der Arnulfstraße (zwischen Helmholtzstraße und Hackerbrücke), Teilbereiche der Betriebsanlage München-Laim Rbf, der ehemalige Milchladehof nördlich der Landsberger Straße und westlich der Hackerbrücke, die Ortsgüteranlage der Betriebsstelle München-Pasing sowie die Ortsgüteranlage der Betriebsstelle München Hbf zwischen der Hackerbrücke und der Tunnelrampe der S-Bahn-Stammstrecke.
Die Umnutzung der ehemaligen Bahnflächen entlang der etwa acht Kilometer langen Achse erfolgt dabei auf Basis mehrerer Bebauungspläne mit unterschiedlicher Nutzungsmischung für die einzelnen Teilgebiete Arnulfpark, Birketweg, Laim, Nymphenburg Süd, Pasing und Paul-Gerhardt-Allee [002].
Die Wettbewerbsergebnisse führen zur entsprechenden Anpassung des Flächennutzungsplans der LH München, der eisenbahnrechtlichen Freistellung von Flurstücken von Bahnbetriebszwecken (zuvor als "Entwidmung" bezeichnet") sowie zur Überplanung mit mehreren Bebauungsplänen als Grundlage für die nachfolgende Erstellung der neuen Bebauung.
Für die weitere Darstellung sind der Bebauungsplan B-Plan Nr.1925 "Nymphenburg Süd" sowie der Bebauungsplan B-Plan Nr.1926a "Birketweg" von Bedeutung, schaffen diese doch die neue Ordnung im Bereich zwischen der "Laimer Unterführung" im Zuge der Wotanstraße und der "Friedenheimer Brücke" im Zuge der Wilhelm-Hale-Straße [003].
Betrachtet man die Lage der zu überplanenden "Zentralen Bahnflächen" zwischen München Hbf und München-Pasing, so engen diese an vielen Stellen den zwischenzeitlich durch Eisenbahnflächen belegten Raum wieder ein. Die durch die südlich gelegene Landsberger Straße und die nördlich gelegene Arnulfstraße gebildete Begrenzung der bahnaffinen Flächennutzung wird wieder in Richtung der ursprünglichen Achse zurückgedrängt. So kommt es, dass sich die Trasse der München-Augsburger-Eisenbahn, der ersten ab 1839/1840 die damalige Haupt- und Residenzstadt München berührende Eisenbahnlinie, nahe der mit den Bebauungsplänen "Nymphenburg Süd" und "Birketweg" überplanten Flächen findet [M2800000253, Seite 36].
Im Laufe der zwischenzeitlich mehr als 170 Jahre technischer Entwicklung der Eisenbahn in Deutschland hat sich neben der Fahrzeugtechnik auch die Oberbautechnik - wahrlich als Grundlage des Eisenbahnbetriebs - verändert und weiterentwickelt. Lange vor der Lagerung der Schienen auf einer massiven Platte aus Beton als künstlichem Stein ("Feste Fahrbahn"), werden noch vor der Verwendung von einzelnen querliegenden Schwellen aus Holz, Stahl oder Beton, die Schienen auf einzelnen Schwellensteinen gelagert. Je nach Variante kommen dabei Quader aus Sandstein oder Granit als natürlicher Stein zum Einsatz, bei denen die Schienen entweder parallel zu den Kanten oder diagonal dazu befestigt werden.
Die Bauart wird nicht zuletzt aufgrund der Dauerfestigkeit der Befestigung der Schienen auf den Steinquadern durch andere Bauarten verdrängt. Auch die Geschwindigkeit der Ausdehnung des Eisenbahnnetzes macht es wohl notwendig auf billigere und einfacher herzustellende Oberbaustoffe umzustellen. Die Dauerhaftigkeit von Stein lässt dafür aber langlebige Nachnutzungen zu [004].
Durch die Freiräumung des Geländes zwischen der Wotanstraße und der Wilhelm-Hale-Straße kommt es Schritt für Schritt dazu, dass vormals für andere Zwecke hergestellte und zwischenzeitlich anders genutzte Gegenstände wieder zugänglich werden. Nicht nur durch die auf ehemaligen Bahnflächen inzwischen routinemäßig vorgenommene Kampfmittelräumung kommen brisante Überreste aus der jüngeren Geschichte an die Oberfläche. Auch durch die Altlastensanierung kommt es zu einer Durcharbeitung der oberen Bodenschichten mit der nachfolgenden Beseitigung der durch die Bahn- und Bahnnachfolgenutzung verursachten Kontaminationen.
Nicht nur westlich der Wotanstraße im Bereich des Bebauungsplans B-Plan Nr.1925 "Nymphenburg Süd" (leider nur durch mündliche Überlieferung ohne weitere Nachweise wie Bild oder Plan belegt) treten im Jahr 2005 Oberbaustoffe aus der Frühgeschichte der Eisenbahn zu Tage. Auch westlich der Friedenheimer Brücke, im Bereich einer aufgegebenen Gleisgruppe der Betriebsstelle München-Laim Rbf und damit im Bereich des Bebauungsplans B-Plan Nr.1926a "Birketweg" finden sich im Sommer des Jahres 2006 mehrere Schwellensteine [005].
Die acht aufgefundenen Schwellensteine aus Granit liegen in einer ungeordneten Gruppe auf dem bereits seiner Gleise beraubten Schotterbett, so dass daraus geschlossen werden kann, dass dies nicht der Lager- und Nutzungsbereich der letzten Jahre gewesen sein kann. Dies ergibt sich auch aus den farbigen Markierungen an einigen der Steine, die auf eine Nachnutzung als Begrenzungssteine etwa für eine Verkehrsfläche hindeuten.
Die Steine weisen Abmessungen von ca. 55 cm x 55 cm x 25 cm (LxBxH) auf. Die zwei vorhandenen Bohrungen mit einem Durchmesser von je ca. 4 cm (gemessen an einem hierfür zugänglichen Stein) finden sich diagonal versetzt zu einem ca. 1 cm tiefen Kanal, der selbst eine Breite von ca. 11 cm hat und über die gesamte Länge des Steins verläuft. Der Diagonalabstand der Bohrungen beträgt ca. 16 cm zueinander, der Abstand von den Rändern 19/30 cm in der einen bzw. 20/31 cm in der anderen Richtung.
Wie auch bei den zuvor gefundenen Oberbaustoffen erfolgt eine Verwertung als Bauschutt oder Schrott. Eine Aufbewahrung oder gar Wiederverwendung als Teil einer Sammlung zur Oberbaugeschichte der Eisenbahn bleibt den Steinen leider versagt.
001: | Hauptbahnhof-Laim-Pasing Änderung des Flächennutzungsplanes mit integrierter Landschaftsplanung Zentrale Bahnflächen München Landeshauptstadt München, Referat für Stadplanung und Bauordnung, München April 2000 Sammlung Dr. Gilgore |
002: | Hauptbahnhof-Laim-Pasing - Projekt Landeshauptstadt München, Portal München Betriebs-GmbH & Co. KG, München, 2008 Internet-Auszug: 25.02.2008 www.muenchen.de/Rathaus/plan/wir/projekte/hlp/171683/projekt.html |
003: | Bebauungsplanübersicht Landeshauptstadt München, Referat für Stadtplanung und Bauordnung, München, 2008 Internet-Auszug: 11.02.2008 www.muenchen.de/cms/prod1/mde/_de/rubriken/Rathaus/75_plan/ 05_bebplanung/rechtsverbindliche_bebauungsplaene/uebersichtsliste.pdf |
004: | Geschichte der Geleise-Systeme Eisenbahnschienen, Steinschwellen-SystemeMünchen, 2005 Internet-Auszug: 26.02.2008 www.laenderbahn-forum.de/journal/gleisbau-in-bayern/haarmann/haarmann.html |
005: | Luftbild Internet-Auszug: 26.02.2008 www.maps.live.com |
M2800000253: | 150 Jahre Eisenbahn München-Augsburg Deutsche Bundesbahn, Bundesbahndirektion München, München 1990 Monographie ohne ISBN/ISSN-Nummer |