Eisenbahn Zeitung


Eisenbahnzeitung No. 25    Stuttgart, 22. Juni    1845


Bayerische Staats-Eisenbahnen
(Mitgeteilt von H. Reuße, Kurf. Hess. Baukonstrukteur)

(Fortsetzung von Nr. 23 und 24.)



Auf den bayrischen Staats-Eisenbahn wird sowohl Oberbau als Unterbau vorläufig nur für ein einfaches Geleise hergestellt, wenn gleich der Grundbedarf für eine Doppelbahn erworben wird. Die Kronenbreite des einfachen Bahndammes beträgt 17 Fuß. Die Geleiseweite ist die allgemeine deutsche von 4 Fuß 8 ½ Zoll englisch.

Zum Oberbau sind Stuhlschienen von der beigedruckten Gestalt auf steinernen Würfeln bestimmt; die Schienen werden mit starken (2-2 ½ '' breiten und 1 '' dicken) hölzernen Keilen auf der äußeren Seite in den Stühlen befestigt. Zwar werden vorläufig auf allen über 15 Fuß hohen Dämmen, so wie an feuchten Stellen Holzschwellen von Rothtannen, auch von Föhren (Kiefern) und auf einigen Stellen von Eichenholz gelegt, sie sollen jedoch, sobald sich die Dämme gehörig gesetzet haben, durch Steinwürfel ersetzt werden. Nur in Gegenden, wo die Steine sehr theuer sind wie z.B. von Augsburg nach Donauwürth, sollen die Holzschwellen beibehalten werden.

Es ist eigenthümlich, dass die Stuhlschienen, welche man heut zu Tage im übrigen Deutschland sowohl, als bei vielen Bahnen im Auslande zu verbannen strebt, in Oesterreich und Bayern noch eine Zufluchtstätte finden, ja in letzterem Lande sogar mit ihrem ganzen Gefolge, den Steinwürfeln und Holzkeilen beibehalten werden. Sind doch die Eisenbahnen an sich im Allgemeinen keine Freunde des konservativen Prinzips.

Die Bettung für den Oberbau ist 10 Fuß breit und circa 1-1 ½ Fuß stark, und besteht zu einem Drittheil aus starkem Kies und zu zwei Drittheilen aus Sand. Von 20 zu 20 Fuß Entfernung sind sogenannte Sickerdohlen 0.7 Fuß breit und hoch angelegt, und da, wo strenger Lehmboden ist, wird über die ganze Breite der Bahn Grandbett gelegt. Auf diese Unterlage werden die Steinwürfel, und zwar mit parallelen Seiten – nicht diagonal – gesetzt und mittelst kleiner Hebegeschirre in die richtige Lage gebracht. Die Steinwürfel sind 2'2'' breit und lang und 1'1'' hoch, und ihre Entfernung beträgt von Mitte zu Mitte 3', zunächst an den Schienenstößen aber 2 ½' . Auf die Würfel werden vorher die Stühle befestigt und dienen so zum leichteren versetzen derselben, indem an der Kette des Hebegeschirrs ein Eisenstück in Form der Schiene angebracht ist, welches beim Versetzen mit einem Keil in den Stuhl festgemacht wird. Durch Heben und mehrmaliges Aufstampfen dieses Würfels bildet sich derselbe ein ziemlich festes Unterlager. Nachdem die Steine möglichst genau und zwar mit 1/40 (zuweilen auch mehr) Neigung nach Innen eingelegt sind, werden sie bis auf die halbe Höhe verfüllt, dann die Schienen daraufgelegt, und nun erst beginnt die feinere Regulierung, wobei natürlich die Würfel wieder frei werden müssen, und gewöhnlich die Neigung nach Innen unbeachtet bleibt, indem man froh und zufrieden ist, wenn die Schienen nur in der gehörigen Richtung und Höhe liegen. Es waren anfangs zwar in Betreff des Legens des Oberbaues sehr ausführliche und strenge Vorschriften gegeben, allein während der Arbeit mußte davon mannigfach abgegangen werden, und als gar der 25. August (Tag der Eröffnung) heranrückte, war man zufrieden, den Oberbau nur einigermaßen leidlich hergestellt zu haben. Das Legen des Oberbaues geschieht nicht im Akkord, sondern im Taglohn.

Eine besondere Schwierigkeit verursachte das Befestigen der Stühle auf den Steinwürfeln, und nur bei Anwendung eines sehr weichen, grobkörnigen Keupersandsteins ist es möglich, diese Arbeit um billigen Preis herzustellen.

Zum Bohren der Löcher wird der Stein aufrecht gestellt, und die Bohrmaschine in Form eines einfachen eisernen Rahmens darüber gespannt; an der aufliegenden Platte sowohl, als in dem etwas entfernteren äußeren Rahmenstück sind Löcher für den Bohrer in der vorgeschriebenen Entfernung angebracht, und geben so dem Bohrer die bestimmte Richtung. Man hat mehrere Formen für die Bohrer versucht, ist aber zuletzt bei denen mit großgewundenen Fugen geblieben. Die Bohrarbeit nehmen je zwei Mann vor. Sie erhielten anfangs pro Loch einen kr., bis später auch diese Arbeit im Taglohn ausgeführt wurde. Jeder Bohrer muß nach 10 höchstens 20 Löchern zurückgelegt und neu geschärft werden. Die hölzernen Dübel, welche in diese Löcher eingetrieben werden, werden durch eine Maschine angefertigt, um denselben vollkommene Gleichförmigkeit zu geben. Da jedoch die Bohrer mit jedem Loche etwas kleiner, die Dübel dagegen durchs Abnützen der Maschine stets bis zur neuen Regulierung etwas größer werden, so sieht man häufig die Arbeiter mit ihrem Brotmessern an den harten eichenhölzernen Keilen abschnitzen, und es trifft sich nicht selten, dass schon beim Einreiben der hölzernen Dübel die Steine springen. Nachdem eine getheerte Filzunterlage aufgelegt, und der Stuhl auf dieselbe gesetzt ist, werden beide Dübel eingeschlagen und sodann die eisernen Nägel in die schon ganz fest sitzenden Dübel eingetrieben. Hält der Stein diese aus, so ist er gewiß gut, allein ganze Massen von Steinwürfeln werden zersprengt und man kann annehmen, dass schon vor der Benützung der Bahn circa 25 Proz. der Würfel in Abgang kommen. Wahr ist es jedoch, und man kann sich hievon an der Nürnberg-Fürther Bahn überzeugen, dass ein gesunder Stein, wenn derselbe obige Manipulazion ausgehalten hat, erst fest in der Erde liegt, und durch die erste Locomotivenfahrt und den ersten Winter nicht zersprengt worden ist, eine große Dauer besitzt; auch ist das Auswechseln der Schienen, so wie spätere kleinere Regulierungen leichter zu bewerkstelligen, als bei jedem anderen System des Oberbaues.

Die Steinwürfel werden per Stück mit 40 kr. bis 1 fl. bezahlt. - Von den hölzernen Dübeln für die Steinwürfel kosten 100 Stück 1 fl. 12 kr., die kleinen Dübeln bei Holzschwellen, welche gleichsam nur hölzerne Futter in den Löchern der eisernen Stühle sind, kosten per 100 Stück 22 kr. Ein Hebegeschirr kostet 27 fl.

II. Westbahn von Bamberg nach Würzburg und Aschaffenburg.

Die Westbahn wird ganz auf dem rechten Mainufer erbaut. Sie geht von Bamberg in dem sehr breiten Thale fort bis jenseits Schweinfurt, und macht nur auf einigen Stellen Mainkorrekzionen nothwendig.

Unterhalb Schweinfurt bei dem Orte Wipfeld hebt sie sich mit nicht unbedeutender Steigung über den Bergrücken, und geht über Pleichfeld und Maidbrunn nach Würzburg. Unterhalb dieser Stadt hat sie am Steinberg die berühmten theueren Weinberge zu passiren, da der Main sich unmittelbar an die Felswand dieses Berges lehnt; dann geht sie hart am Fluse weiter über Gemünden bis Lohr, und von da in einem starken Bogen in der Richtung nach Frammersbach über den Spessart nach Hosbach und Aschaffenburg. Im Spessart ist, selbst bei starken Steigungen, ein Tunnel von 4000 Fuß Länge erforderlich, welcher vorläufig zu 150 fl. per Fuß veranschlagt ist.

Die Meile dieser Mainbahn ist durchschnittlich zu 400,000 fl. veranschlagt. Da jedoch die Hauptpunkte dieser Linie, namentlich die beiden Bergübergänge zwischen Schweinfurt und Würzburg sowohl, als zwischen Lohr und Aschaffenburg über den Spessart noch nicht in allen Einzelheiten festgestellt sind, so läßt sich auch vorläufig noch nichts Spezielles über diesen Zug angeben.

III. Südbahn von Nürnberg nach Augsburg

Die Richtung der Bahn nach Augsburg ist mit Berücksichtigung der Richtung nach Württemberg über Nördlingen, Oettingen, Gumpenhausen nach Slemfeld bestimmt, und soll nicht über Weißenburg und Fünfstätten gehen. Dieser Zug wird außer der Stromscheide noch mehrere bedeutende Schwierigkeiten zu überwinden haben.

IV. Südbahn von Augsburg nach Lindau

Die Strecke von Augsburg nach Lindau bietet sehr bedeutende Schwierigkeiten dar. Von Augsburg geht die Bahn von dem Wertachthale hinauf bis Kaufbeuren, von da über die Vorberge nach Aitrang an die Kirnach, einem Seitenfluß der Wertach, weiter über die Höhe bei Kipfenbach und Reinhardtsried in das Thal der Laibau (eines Seitenflusses der Eller), dann über die Vorberge nach Kempten in das Illerthal, und in demselben hinauf über Immenstadt in das Achthal, am Alpsee nördlich vorüber, im Achthal hinauf und bei Stauffen über eine sehr tiefe Einsattelung auf der Grenze zwischen Nagelfluh und Jura in das Thal der Argen; hier nimmt sie eine zurückgehende nördliche Richtung über den Rücken nach Röthenbach in das Tobelbachthal, geht mit starkem Bogen gegen Westen, sodann gegen Norden und beinahe gegen Osten nach Wohmbrechsthal in das Leibachthal, und aus diesem endlich über die Vorberge nach Straßenbühel oberhalb Aeschach, den Galgeninseln gegenüber, circa ½ Stunde oberhalb Lindau.

Weitere Auskunft über die bayerische Süd-Nordbahn enthält der soeben ausgegeben letzte Band des Freiherr v. Reden'schen Werkes über die deutschen Eisenbahnen Seite 2345 u. f. Unter der Aufschrift: Nachtrag zu der königl. Bayerischen Ludwigs-Süd-Nord-Bahn. (A.d.R.)


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