Titel: die Pferdeeisenbahn

Jürgen Riedl

Wenn man von Linz in Österreich kommend nach Rainbach der Strasse nordwärts folgt, fällt kurz vor Kerschbaum linkerhand ein mächtiges und schön hergerichtetes Gebäude auf. Es scheint einfach so in der Landschaft zu stehen, auf einer Anhöhe und hat nichts mit einem Bauernhof gleich, eher mit einem Gutshof. Einige unscheinbare Hinweise an dieser Strasse weisen auf ein eisenbahnhistorisches Relikt erster Güte hin: ein liebevoll rekonstruierter Abschnitt der ehemaligen Pferdeeisenbahn Linz/Österreich – Budweis/Tschechien.

Ausschliesslich wirtschaftliche Erwägungen sind Triebfedern von herausfordernden Bauvorhaben. Hier war es der Salzhandel. Österreich baute Salz in den Bergwerken des Salzkammergutes ab und transportierte es bis zum Hauptsalzstapelplatz Budweis, welches es als Drehscheibe für die böhmische Region diente. Dieser Transport fand üblicherweise auf den natürlichen Wasserstrassen statt, wie Donau und Moldau. Allerdings war der Böhmer Wald als Wasserscheide zwischen Donau und Moldau ein schwer überwindbares Hindernis. Was als Saumpfad begann, mit schwer bepackten Lasttieren, befestigte sich langsam zu einer Strasse. Der Salzhandel prosperierte und entwickelte sich zu einem logistischen und teuren Problem. So wurden schon 1800 knapp 18.000 t Salz transportiert. Jedes Pferdefuhrwerk vermöchte 1t zu transportieren, ergibt also 18.000 Transporte im Jahr!

Die Idee, durch Zusammenlegung von Wasserstrassen über Kanäle geht bis in das 14. Jahrhundert zurück, der erste ernst zu nehmende Vorschlag wurde 1773 von Joseph Wacher unterbreitet, der aber nicht ausgeführt wurde. Das Können der Zeit war noch nicht reif dafür. Im Jahre 1807 wurde die Idee wieder aufgegriffen, und der Professor für Mathematik und Mechanik, Dr. Franz Joseph Ritter von Gerstner zur Planung herangezogen. Den Bau eines Kanales mit bis zu 310 Schleusen konnte F.J. v. Gerstner aber aufgrund der immensen technischen Schwierigkeiten und Kosten nicht empfehlen. Stattdessen schlug er eine Pferdeeisenbahn als Landverbindung vor, die in England bereits erfolgreich betrieben wurde. Die Pläne verschwanden in der Schublade, der 1809 ausgebrochene Krieg zwischen Österreich und Frankreich beendete das Projekt für lange Zeit. Erst 1820 konnte mit den Vorarbeiten begonnen werden, nun durch den Sohn, Franz Anton Ritter von Gerstner. Dieser studierte noch 1822 die Eisenbahnen in England und es dauerte weitere 3 Jahre bis zum ersten Spatenstich, Ende Juli 1825, eine Zeit, zu der im Mutterland der Eisenbahn bereits die ersten Dampflokomotiven gebaut wurden. Es war eine aufregende Zeit, vergleichbar mit den ersten Anstrengungen zur Raumfahrt unserer Zeit.

So wie heute tat man sich damals schwer mit dem Einhalten von Kostenvoranschlägen und Bauzeiten. Es war halt alles neu. So nutzte der Bauingenieur Matthias Schönerer einen Kuraufenthalt von F. A. v. Gerstner zum Aufstand und wurde als Bauführer eingesetzt. Während v. Gerstner die Pferdebahn so trassierte, dass Radien gross und Steigungen flach verliefen, widersetzte sich Schönerer diesem Prinzip. Eine Neuplanung der noch zu bauenden Strecke konnte dann auch rasch realisiert werden. F. A. v. Gerstner war seiner Zeit voraus, als die Pferdebahn durch eine richtige Eisenbahn ersetzt werden sollte, konnte auf der Trasse v. Gerstner die eisenbahn preiswert realisiert werden, während für den Abschnitt in Schönerer's Verantwortung die Eisenbahnstrecke neu trassiert werden musste. Zu diesem Zeitpunkt war aber M. Schönerer bereits ein bis zum Kaiser hoch angesehener Mann, und v. Gerstner war bereits in Vergessenheit geraten. Der Ruhm reichte auf jeden Fall, um unter Carl Ritter von Ghega ab 1848 die weltberühmte Semmingbahn zu realisieren. Im Jahre 1832 konnte die Strecke von Budweis bis Urfahr an der Donau, ab 1835 bis Linz befahren werden. Zu dieser Zeit war die erste Dampfeisenbahn im jetzigen Deutschland, zwischen den bayerischen Städten Nürnberg und Fürth in der Fertigstellung.

Der Betrieb

Die Spurweite der Pferdeeisenbahn betrug 1106mm. Die Bahnlinie war eingleisig. Der Oberbau bestand aus hölzernen Langschwellen mit auf der Innenseite aufgenagelten, abgerundeten, schmeideeiserner Flascheisen. Die Langschwellen ruhten auf holzernen Querschwellen, die ab 1843 durch Schwellensteine ersetzt wurden. Die Beschotterung zwischen den Langschwellen wurde mit hartem Schotter hergestellt, der mit einer Schicht grobem Sand abgedeckt wurde, damit die Pferde gut gehen konnten. Im Museum der Pferdeeisenbahn in Kerschbaum sind die verschiedenen Bauweisen ausgestellt. Ob die Weichen im Freigelände autentisch gebaut wurden, konnte nicht zweifelsfrei geklärt werden. Zu jener Zeit waren Schleppweichen üblich, die Zungenweiche kam bei der K.Bay.St.B ab 1844 zur Anwendung, die modern Form mit gleichlangen Zungen und unterschneidung der Backen wurde nach heutigem Wissen bei den deutschen Länderbahnen erst 1853 erstmalig eingeführt.

Die Pferdeeisenbahn war zunächst als Frachtbahn erbaut, bot aber auch Personenbeförderung an. Schwere Noriker, etwa 600 wurden vorgehalten. Jedes Pferd zogen um 6 Güterwagen, geführt von einer Person mit einer Geschwindigkeit von etwa 4km/h. Bei starker Steigung wurde sogar ein Pferd als Vorspann eingesetzt. An der Linie waren in Abschnitten von etwa 2 – 3 km Streckenposten zur Instandhaltung eingesetzt. Die Güterzüge fuhren die Strecke in 3 ½ Tagen, aufgeteilt in 11 ¾ h, 5 ½ h, 10 ½ h und 4 ¾ h. An den Stationen wie z.B. Kerschbaum wurden die Pferde gewechselt. In Kerschbaum bestanden deshalb Stallungen für bis zu 100 Pferden. Heute ist das Museum darin eingerichtet. Personenzüge benötigten zwischen Budweis und Linz 13h reine Fahrzeit. Der geneigte Fahrgast musste eine Stunde vor Abreise, am Stationsplatz angekommen sein, in Linz oder Budweis um 4 Uhr morgens. Kam er später, durfte er nicht mitreisen. Obwohl die Geschwindigkeit im Schnitt 10-12 km/h betrug, waren Unterwegshalte zum Austreten nicht zulässig. Der Fahrplan musste strikt eingehalten werden.

Gehalten wurde auf halber Strecke in Kerschbaum, wo für eine Stunde der Fahrgast Rast machen konnte. Auch heute ist im Museum ein gutes Gasthaus eingerichtet. Wenn sich auf freier Strecke ein Güterzug und ein Personenzug begegeneten, hiess es für den Personenzug auszuweichen. Dazu mussten die Fahrgäste den Personenwagen verlassen und mit vereinten Kräften aus Schienen heben. Dabei spielte es keine Rolle, ob man Passagier 1. Klasse oder 3. Klasse war. Nachdem der Güterzug die Stelle passiert hatte, packten alle wieder mit an, und hoben den Personenwagen wieder ins Gleis und fuhren weiter.

Pferdeeisenbahn Wanderweg

Es lohnt sich, einmal im Pferdeeisenbahnmusem vorbeizuschauen. Unter der Internetadresse www.pferdeeisenbahn.at finden Sie weitere Informationen. Wer sich intensiver mit dem Thema auseinandersetzen möchte, für den bietet es sich an, den Pferdeeisenbahn-Wanderweg zu Fuss oder mit dem Fahrad zu erkunden. Relikte aus der Zeit sind noch zu finden, und so mag sich mancher mit dem Gedanken tragen, ein Diorama dieser frühen Bahngeschichte entstehen zu lassen. Lassen Sie es mich wissen, ich veröffentliche Ihre Bilder und das Werden des Dioramas gern.

Video der Pferdeeisenbahn

Wenn sie einen lebendigen Eindruck vorab genießen wollen, so finden Sie ein kurzweiliges Video auf der Multimedia Seite.

Fahrt mit dem offenen Pferdebahnwagen

Der offene Pferdebahnwagen

Die ehemaligen Stallungen im Pferdebahnmuseum Kerschbaum

Die noch bestehende Trasse der Pferdeeisenbahn, ein Fussweg nach Rainbach

So bunt war die Zeit: Kostüm aus der Biedermeierzeit

Portrait von M. Schörner links, rechts ein Signal der Pferdeeisenbahn

Auf Wiedersehen in Kerschbaum