Bauidee: “Museumsbahnhof Schwabmünchen 1848 - 1858”

Was ist der Grund, den Bahnhof Schwabmünchen zu rekonstruieren? Beim Blättern im Band No. 2 Bayern-Report1 »Bayerische Eisenbahngeschichte, Teil 2: 1875-1920« fiel mir das Gemälde von Karl Herrle sofort auf:

Gemälde: Schwabmünchen um 1850, Karl Herrle

Schwabmünchen 1848, Gemälde von Karl Herrle, DB-Museum Nürnberg

Welche Ruhe strahlt diese Szenerie aus. Ein Zug ist angekündigt, der Signal Semaphor verkündet: »Zug kommt«. Reisende warten. Einige sind angeregt ins Gespräch vertieft, Kinder spielen und Hunde machen mit. Einer lehnt lässig am Tropfwasserbottich des Wasserkrans. Es macht nichts aus, auf dem Gleis zu stehen. Das Betriebshauptgebäude hat mediterranen Flair. Man hatte noch Zeit, jeder Bahnhof war mit einem Garten versehen, um dem Reisenden das Warten zu einem kurzweiligen Vergnügen zu machen. Das Wasserhaus ist ein Haus, kein Turm wie später so oft. Mit dem Zug zu Reisen war Abenteuer. »Experten« mutmaßten, daß die hohe Geschwindigkeit Reisende irre mache. Ein frischer Wind schüttelt die Bäume. Leise hört man schon das Rumpeln der Wagen und das Puffern der Lok. Der Zug kündigt sich an. Schon gibt er mit der Dampfpfeife das Signal an die Bremser, die Bremsen anzuziehen. Gleich betritt er die Szenerie.

Dioramen oder ganze Anlagen der Eisenbahnepoche Ia, manche sprechen auch von Epoche 0, sind sehr rar. Ungewöhnlich ist das nicht, denn es mangelt an allem:

Selbstbau ist also angesagt. So wird im Laufe der Zeit dokumentiert werden, wie der Bahnhof Schwabmünchen (Ludwig-Süd-Nord-Bahn 1841 - 1853) um 1848 - 1858 im Maßstab 1:87 nach einem Gemälde von Karl Herrle entsteht.

Karl Herrle war Ingenieur und wurde beauftragt, Eisenbahn Gebäude, Brücken usw. - wie eine heutige Photographie - minutiös zu malen. Das Gemälde des Bahnhof Schwabmünchen faszinierte mich schon geraume Zeit und nährte das Vorhaben eines Nachbaues. Außer diesem Gemälde fand sich einen Stich des Gleislageplans aus dieser Zeit in Bayern-Report2 No. 3 »Gleispläne und Streckengeschichte«. Den Gleisplan betrachtend, führte das Gütergleis ausgehend von der Bahnseite in einem Bogen um die Marktseite des Hauptgebäudes herum. Damit war alles klar: Der Bahnhof muß im Maßstab 1:87 in der Epoche I wiedererstehen.

Doch ohne Zeichnung, wie sollen die Maße des Gebäudes ermittelt werden? Beim Studium des Lageplans machte ein Maß aufmerksam. Das Maß von 451 Metern bezeichnete die maximal Länge, die ein Zug einnehmen durfte. Zwei Kreuze markierte den Abstand. Zusätzlich war neben den Grundrissen der Gebäude im Maßstab der Zeichnung noch der Grundriß des Hauptgebäudes in größerem Maßstab enthalten. In nachfolgendem Bild ist diese Zeichnung bereits rekonstruiert (diese entstand in 2/2000. Dazu wurde sie im Maßstab 1:1 in TurboCAD eingegeben. Auf einem der Ebenen in der TurboCAD Zeichnung sind die Geleise und Weichen bereits mit ihren beiden Spuren eingezeichnet. Das wird die Grundlage für eine spätere 3D-Zeichnung).

Gleislageplan Schwabmünchen, klein. Für grosse Graphik (83kByte) bitte klicken.

Damit war es einfach, die Gebäudemaße zu rekonstruieren. Im Weihnachtsurlaub 1998/'99 nahm das Projekt Gestalt an. Unter der Voraussetzung, daß Herrle die Proportionen der Gebäude genau getroffen hat, wurden die Maße aus dem Gemälde auf Maßstab 1:1 umgerechnet und damals in Autosketch 2.1 eingegeben.

Die Erfahrung lehrt, wenn sich der Erfolg nicht schnell einstellt, verliert man die Lust. Dann vergammeln alles mögliche im Dunkel von Schubladen und Schränken. Also nahm ich die Gelegenheit war, eine andere Bauweise auszuprobieren. Bevor ein Gebäude exakt mit sehr viel Aufwand entstehen soll, wird ein Probemodell mit geringem Aufwand erstellt. Das Probemodell wird später durch das exakte ersetzt. Die Gebäude werden im Computer im Maßstab 1:1 eingegeben. Die Zeichnung wird vereinzelt, dann Mauern und Dachteile auf buntem Papier ausgedruckt. Das Papier wird auf Depafit3 (papierkaschierter Schaumstoff) aufgeklebt und mit einem Cutter/Skalpell entlang eines Stahllineals ausgeschnitten. Fenster säge ich mit der Laubsäge aus, und verkleidete diese ebenfalls mit Buntpapier. Damit entstehen exakt maßstäbliche Gebäude. Die Probemodelle sind natürlich nicht voll durchgestaltet, aber man kann mit Papier, Pappe und Depafit schon einiges machen. So entstanden innerhalb von einer Woche Zeichnung und drei Gebäude: das Hauptgebäude, das Wasserhaus und ein Güterschuppen. Das war ganz nach meinem Geschmack, denn diese Gebäude ernsthaft nach zubauen kostet mindestens die zehnfache Zeit. Rasch den Gleisplan mit ein paar Gleisen und Weichen auf dem Teppich aufgebaut, schon konnte Betrieb gemacht werden.

Wie an den unten gezeigten Probemodellen zu sehen, sind keine Fenster eingesetzt, zusätzlich lässt das Wasserhaus noch den Schlot zur Wasservorwärmung vermissen.



Es bedeute schon eine Umgewöhnung, im Vergleich dieser maßstäblichen Gebäude mit industriell gefertigten Zwergengebäuden. Aber die Gewöhnungsphase ist sehr kurz (zwei weitere Beispiele findet man hier).

Einige Zeit nach Erstellen der Probemodelle besuchte ich den Bahnhof Schwabmünchen mehrere male, photographierte und vermaß alles nötige. Im Vergleich mit den errechneten Dimensionen aus Karl Herrle's Gemälde staunte ich nicht schlecht: die ermittelte Höhe des Gebäudes und sein Grundriß wichen nur um 20 cm ab!

Es ist frappierend, was noch alles steht. Wenn man das Bild von Karl Herrle aufmerksam betrachtet, sieht man hinter dem Hauptgebäude links einen »Bauernhof« oder »Bahnhofshotel«. Das Gebäude steht heute noch. Es ist noch immer unverputzt im Gegensatz zum Bahnhof. Die original Ziegel konnten somit vermessen und die Farbe exakt bestimmen werden. Bei Stilletto (ex. Bufe) fand sich ein Buch über die Ludwig-Süd-Nord Bahn4, das auch zwei Abbildungen des Betriebshauptgebäudes enthielt. Infolgedessen wurde das Archiv des DB Museums besucht, in der Hoffnung, Kopien der Pläne aus dem Buch zu erhalten. Leider waren diese verschollen, ansonsten nur der ursprüngliche Gleisplan (wie aus dem Eisenbahnjournal) als auch der von 1891 vorhanden sowie die Grundrisse von Hauptgebäude und Wasserhaus vom 15. April 1884 im Maßstab 1:100 aus den Bildlichen Verzeichnissen der Kgl. Bay. St. B.

Derzeit befinden sich die Bahnhofspläne in Überarbeitung, nun mit dem Konstruktionsprogramm TurboCAD Professionell 7. Auf einer Grundfläche mit Maximalausdehnung 900cm X 110 cm wird er entstehen. Möglicherweise wird das Gleismaterial in H0 Pur entstehen. Zeichnung bayerischer Weichen entstehen ebenfalls peu-a´-peu. Tja, eine ganze Menge Arbeit.

Zusammenfassend ergibt sich derzeit folgendes Bild:

Trotz der unbefriedigenden Planlage bin ich zuversichtlich, die Bahnanlagen ziemlich genau rekonstruieren zu können. Warum der Optimismus begründet ist, wird in den folgenden Kapiteln peu á peu dargelegt werden. Schauen Sie einfach alle ¼ Jahre vorbei, was sich getan hat.

Und warum »Museumsbahnhof«? Nun, ich möchte der Zeit entsprechend Signal Semaphoren usw. aufstellen, aber mein Lokomotivenpark ist von Epoche Ib bis IIIb. Damit ich nicht in Argumentationsnot komme, wird der Bahnhof als historisch hergerichtet deklariert und zeitgenössische Züge können doch fahren.

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1Eisenbahn Journal Archiv , Hermann Merker Verlag

2Eisenbahn Journal Archiv III/95, Hermann Merker Verlag

3Depafit gibt es in verschiedenen Dicken (3-10 mm) in 70x100 cm großen Tafeln im Bürobedarf, besonders in Nähe von Universitäten mit Fakultät für Architektur

4Beatrice Sendner-Rieger, »Die Bahnhöfe der Ludwig-Süd-Nord-Bahn 1841-1853«, DGEG, ISBN 3-921700-57-4